Zwei Betreuer mit Messer bedroht

Landgericht: 40-Jähriger wegen Geiselnahme in psychiatrischer Klinik angeklagt

Wegen Geiselnahme, räuberischer Erpressung und weiterer Delikte muss sich seit Montag ein 40-Jähriger vor dem Landgericht Tübingen verantworten. Er hatte bei seinem Ausbruch aus dem Zentrum für Psychiatrie Zwiefalten zwei Betreuer gefesselt und bedroht.

01.02.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Tübingen/Zwiefalten. Der Angeklagte war in der Nacht auf den 10. April 2013 aus dem Zentrum für Psychiatrie in Zwiefalten ausgebrochen. Er konnte mit dem Auto eines Mitarbeiters flüchten und wurde am 5. Mai 2013 im Raum Aachen wieder festgenommen. Der gelernte Dreher räumt die ihm zur Last gelegten Taten ein. Staatsanwalt Jan Vytlacil beantragte zudem Sicherungsverwahrung gegen den Mann: Dieser weise einen Hang zu Straftaten auf, durch die die Opfer schwere körperliche und auch seelische Schäden erlitten.

In der Tatnacht war der Angeklagte mit anderen suchtabhängigen Straftätern auf der forensischen Abteilung der Klinik untergebracht. Gegen 2.20 Uhr drang er in das Büro der Nachtschicht ein, wo er die beiden diensthabenden Betreuer (eine Frau und einen Mann) unter Todesdrohungen zunächst mit einem etwa 40 Zentimeter langen Tortenstreicher angegangen sein soll, den er aus der Stationsküche entwendet hatte.

„Er war den Betreuern durch frühere Gerichtsurteile als gewaltbereit bekannt“, sagte der Staatsanwalt. Nachdem er die beiden Mitarbeiter eingeschüchtert hatte, soll sich der Angeklagte aus dem Aufenthaltsraum ein zirka 30 Zentimeter langes Fleischermesser beschafft haben. Er zwang den Betreuer, seine Kollegin zu fesseln. Anschließend fesselte der Angeklagte den Mann. Aus der Jacke des Betreuers entwendete er 80 Euro und dessen Autoschlüssel und ließ sich Fahrzeugtyp und Standort des Autos beschreiben. Das Mazda-Cabrio wurde am 25. April 2013 wieder aufgefunden. Von der Betreuerin erbeutete der Angeklagte zehn Euro und einen Schlüsselbund, an dem sich der Magnetchip für die Innentür der Station befand. Unter weiteren Todesdrohungen soll er die Mitarbeiter dazu gebracht haben, ihm zu erklären, wie die Schließanlage funktionierte: Er habe nichts zu verlieren und noch zehn Jahre Knast vor sich.

Der Angeklagte machte gestern selbst keine Angaben, ließ aber seinen Verteidiger Janusch Nagel eine Erklärung vorlesen, die ein Geständnis und seinen Werdegang umfasste. Zudem entschuldigte er sich für sein Verhalten in der Tatnacht: Es tue ihm leid, dass er den beiden Betreuern so viel Schrecken, Leid und Ängste bereitete. Er habe die beiden massiv bedroht – aber nur verbal, um sie einzuschüchtern.

Er sei heroinabhängig und damals in einer verzweifelten Situation gewesen: Seit sechs Tagen in der Klinik, sei sein anfänglich eingeschmuggelter Vorrat an den Ersatzstoffen Methadon und Subotex aufgebraucht gewesen. Ersatz habe er nicht bekommen, obwohl er starke Entzugserscheinungen verspürt habe. Man habe ihm zu verstehen gegeben, er werde nicht behandelt, sei nicht behandelbar und solle schnellstmöglich zurück ins Gefängnis. Die Verteidiger möchte nun prüfen lassen, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten damals aufgrund der Entzugserscheinungen eingeschränkt war.

Der Mann wurde in Fußfesseln und Handschellen, die ihm vorläufig auch nicht abgenommen werden, in den ungewöhnlich stark gesicherten Schwurgerichtssaal geführt. Der Prozess wird am Montag, 15. Februar, fortgesetzt.

Info Vorsitzender Richter: Martin Streicher; Beisitzerinnen: Stefanie Rebmann, Diana Scherzinger; Schöffen: Ulrike Dahmen, Bettina Noack. Staatsanwalt: Jan Vytlacil. Verteidiger: Janusch Nagel, Christoph Rühlmann. Gutachter: Dr. Stephan Bork.