Stuttgarter Trickfilmfestival

Labor der Träume

Das Internationale Trickfilmfestival in Stuttgart blickt anlässlich seiner 25.?Auflage zurück. Um die Zukunft geht es aber auch.

21.04.2018

Von MAGDI ABOUL/KHEIR

Ästhetisch und erzählerisch vielfältig geht es beim Trickfilmfestival zu: Szene aus „Finity Calling“. Foto: ITFS

Ästhetisch und erzählerisch vielfältig geht es beim Trickfilmfestival zu: Szene aus „Finity Calling“. Foto: ITFS

Stuttgart. Farben und Figuren, Bewegung und Klang, und am Ende fügt sich alles zu einem historischen Schlachtengemälde zusammen. Mit dem Schweizer Kleinod „La Bataille de San Romano“, das in zweieinhalb Minuten Paolo Uccellos Meisterwerk aus dem 15. Jahrhunderts mit so einfachen wie wirkungsvollen Mitteln des Animationsfilms dynamisiert, beginnt am Dienstag der diesjährige Wettbewerb des Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart (ITFS).

Vier Abende, 43 Filme später endet dieser Wettbewerb mit „Saturn Barz (Spirit House)“, einem schrägen computeranimierten Video zu einem Track aus dem aktuellen Album der Gorillaz. Darin betreten die virtuellen Protagonisten ein verfallenes Haus in Detroit, das den Eingang in eine ferne, fantastische Welt bietet.

Und dazwischen gibt es das ganze Leben und die ganze Welt. Besser gesagt: viele Leben und viele Welten. Mit dem Pinsel und mit dem Computer erschaffen, mit Puppen und aus Pixeln, gezeichnet und retuschiert, modelliert und konstruiert: Der Wettbewerb, das Herzstück des ITFS, ist eine Leistungsschau des Animationsfilms voller kreativer, versponnener, berührender, lustiger, abseitiger Filme, mal nur ein Minütchen, mal eine Viertelstunde lang.

Ein attraktiver Wettbewerb eines besonderen Jahrgangs: Es ist das 25. ITFS, und das steht „ganz im Zeichen des Jubiläums“, wie die beiden Geschäftsführer Ulrich Wegenast und Dieter Krauß betonen. So blicken die estnische Animationslegende Priit Pärn sowie Simpsons-Macher und ITFS-Dauergast David Silverman anekdotisch zurück. Auch die Retrospektive „Best of Animation“ und ein Jubiläums-Screening vermitteln einen Eindruck davon, warum das Stuttgarter Festival längst zu den weltweit wichtigsten der Branche gehört.

100 000 Euro Preisgelder

Als „Labor der Träume“ bezeichnen die Macher das ITFS. Entsprechend heißt der Festivaltrailer, den Studierende des Animationsinstituts der Filmakademie Baden-Württemberg diesmal gestaltet haben, „Dream Lab“.

Natürlich wird bei aller Träumerei nicht nur in Erinnerungen geschwelgt, „sondern wir präsentieren auch die Zukunft von Animation und Games“, wie die Macher selbstbewusst ankündigen. So dreht sich die „GameZone“, die erstmals im Kunstmuseum Stuttgart und dem großen „Pavillon Lichtwolke“ auf dem Schlossplatz ihre Schauplätze hat, um „Architektur & Games“ und „eSports“. Das ITFS bietet eine enorme Breite und Vielfalt: rund 200 Einzelveranstaltungen und mehr als 1000 Filme. Der Länderfokus ist – mit Studiopräsentationen und Sonderprogrammen – den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen gewidmet, es gibt kreative Angebote für Kinder und populäres Open-Air-Kino, musikalische Leckerbissen, Talkrunden und die „Wall of Animation“ am Breuninger.

Sechs Tage stehen die Stuttgarter Innenstadtkinos und der Schlossplatz, aber auch weitere Spielorte von Stadtbibliothek bis Wilhelma im Zeichen des Animationsfilms. 90?000 Besucher waren es im vergangenen Jahr, und es gibt keinen Grund, warum das ITFS heuer weniger Anklang finden sollte. Es stimmt, wenn Oberbürgermeister Fritz Kuhn lobt, dass es dem Veranstalter jedes Jahr gelingt, „das ITFS mit Überraschungen neu zu erfinden“.

Der Internationale Wettbewerb mag im Zentrum der Aufmerksamkeit vieler Zuschauer stehen, doch sind es insgesamt 16 Wettbewerbe. 100?000 Euro Preisgelder werden vergeben. Ein Höhepunkt dürfte die Gala am Donnerstagabend sein, wenn im Renitenztheater der Deutsche Animationssprecherpreis verliehen wird. Nominiert sind in diesem Jahr erneut bekannte Namen: Heino Ferch für seine Rolle des Ernesto de la Cruz in „Coco“, Martina Hill für ihre stimmliche Interpretation der Lucy Wild in „Ich – Einfach unverbesserlich 3“ und Axel Prahl für seine Rolle als Pirat Old Bill in „Käpt'n Sharky“.

Dank der Kooperationen mit der Internationalen Konferenz für Animation, Effekte, Spiele und Transmedia (FMX), dem Animation Production Day und dem Werbefilm-Festival Spotlight ist die ITFS auch für Fachbesucher aus vielen Sparten einen Besuch wert – es geht stets auch darum, den Medienstandort Stuttgart nach vorn zu bringen. Aber auch der gemeine Filmfan kann sich dort einfach seiner Liebhaberei hingeben. Denn er lernt viele Leben kennen und viele Welten.