„Damit wird es zum Krieg kommen“

Händler wollen keine Radler in der Tübinger Kornhausstraße

Einzelhändler der Tübinger Innenstadt und fast alle Ratsfraktionen wenden sich gegen das Aufheben der reinen Fußgängerzone.

21.02.2019

Von Ulla Steuernagel und Gernot Stegert

Noch ist die Tübinger Kornhausstraße reine Fußgängerzone. Manche Radfahrer schieben, andere lassen es rollen. Bild: Ulrich Metz

Noch ist die Tübinger Kornhausstraße reine Fußgängerzone. Manche Radfahrer schieben, andere lassen es rollen. Bild: Ulrich Metz

In der Tübinger Kornhausstraße, bisher reine Fußgängerzone, soll bald auch das Radfahren erlaubt sein, im Schritttempo. Vom 1. März an wird zwei Monate lang erprobt, ob ein friedliches Nebeneinander von Fußgängern und Radfahrern an der Ost-West-Achse möglich ist.

Gegen diesen Plan der Stadtverwaltung formiert sich Widerstand nicht nur in Leser- und Protestbriefen, nun haben sich auch die Einzelhändler der Straße zwischen Krummer Brücke und Hirschgasse zu einer Unterschriftenaktion zusammengeschlossen. Die Initiative ergriff Blanca de Rodriguez Schwarz von „Tokapu“. 17 Händler und Gastronomen haben bis jetzt die Erklärung unterzeichnet, vom Vegi in der Kornhausstraße 1 bis zum Orient Kebab in der Nummer 26. Auch ein Gelegenheitsgewerbetreibender findet sich darunter, der „Seifenblasenmann“. Sie alle haben Angst, dass sich die Situation in ihrer Straße durch den offiziellen Radverkehr verschärft. „Es ist ja jetzt schon so“, schreiben sie, „dass Fahrradfahrer rücksichtslos durch die Innenstadt preschen und es immer wieder zu Unfällen mit Fußgängern, insbesondere mit Kindern kommt.“

Im Jahr 1980 wurde, darauf weisen die Händler hin, die Innenstadt zur Fußgängerzone erklärt. Hinter diesen Status wollen sie nicht zurückfallen. Sie erinnern an das „Verkehrschaos von früher“ und dass die „Aufweichung der Fußgängerzone“ ein erster Schritt in diese Richtung sei.

Die Händler sehen für die Zukunft einer von Einkaufsbummlern und Zweirädern bevölkerten Kornhausstraße schwarz: „Denn damit wird es zum Krieg kommen zwischen den Radfahrern und Pommesessern vor dem X, älteren Menschen aus dem Bürgerheim, die im Löwen-Laden einkaufen, Kindern, die vorm Stadtmuseum spielen, und Touristen, die durch unsere schöne kleine Stadt schlendern wollen.“

Trotz ihrer Kritik am Radverkehr wollen sie die Radfahrer nicht zu Buhmännern erklären. „Wir wollen Fahrradfahrer nicht ausgrenzen, sondern ein friedliches Miteinander ermöglichen“, betonen die Händler. Dennoch: „Der Probeversuch der Stadtverwaltung von März bis April 2019 ist sofort zu stoppen.“

Auch im Tübinger Gemeinderat hat sich eine massive Front gegen den Versuch gebildet. Einzig die AL/Grünen-Fraktion macht nicht mit beim Protest gegen die Anordnung ihres Parteifreunds Oberbürgermeister Boris Palmer. Mittlerweile wurden aus Unmut Anträge. Die SPD will „den Versuch einer Öffnung nicht nur bei massiven, sondern bei relevanten Auswirkungen auf Fußgänger abbrechen und spätestens nach sechs Monaten über die Erfahrungen im Gemeinderat berichten, um dann gegebenenfalls neu zu entscheiden“.

Noch weiter geht ein gemeinsamer Antrag von Tübinger Liste, CDU, Linker, FDP und dem fraktionslosen Markus Vogt („Die Partei“). Zwar dürfe die Verwaltung eine verkehrsrechtliche Regelung anordnen. Aber bei der Kornhausstraße werde „das Grundprinzip der alleinigen Nutzung der Fußgängerzone durch Fußgänger politisch in Frage gestellt. Das macht den Vorgang zu einer stadtpolitisch relevanten Entscheidung, zu der der Gemeinderat Stellung nehmen und die Folgen diskutieren können und ggf. auch die zugehörigen Grundsatzentscheidungen treffen sollte.“

Auch inhaltlich sind sich die Antragsteller einig: Die Kornhausstraße sei für die Öffnung für Fahrräder „besonders fragwürdig“ und „als Testfeld ungeeignet“. Die Verwaltung soll den Versuch zurückstellen und erst im Gemeinderat diskutieren.

Die Information der Verwaltung zum Rad-Versuch

Mitte Januar hatte die Stadtverwaltung dem Gemeinderat schriftlich mitgeteilt: „Um eine für Radfahrende attraktive Ost-West-Verbindung innerhalb der Altstadt zu schaffen und damit den Radverkehr weiter zu fördern, beabsichtigt die Verwaltung, die Kornhausstraße im Nord-Westen der Fußgängerzone ab dem 1. März versuchsweise für Radfahrende frei zu geben.“ Ausnahmen werde es bei Veranstaltungen geben. Weiter hieß es: „Der Verwaltung sind die Risiken, die mit der Öffnung eines Teils der Fußgängerzone für den Radverkehr verbunden sind, bewusst.“ Dass es gelingen könne, habe ein vom Bund gefördertes Forschungsprojekt gezeigt. Die Verwaltung will vor dem Versuch die Öffentlichkeit ausführlich informieren, in der Testphase die Schrittgeschwindigkeit der Radler kontrollieren und danach den Versuch auswerten. „Sollte sich herausstellen, dass die Freigabe für Radfahrende eine massive Zunahme der Gefährdung von Fußgängern nach sich zieht, wird der Versuch abgebrochen.“

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Erstellt:
21.02.2019, 02:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 57sec
zuletzt aktualisiert: 21.02.2019, 02:00 Uhr

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