Kunstturnen

Konkurrenten im eigenen Team

Bei der WM-Qualifikation kämpfen die besten Deutschen an den Geräten um die Tickets für Montreal. Die Deutsche Meisterin Elisabeth Seitz vom MTV Stuttgart zählt zu den Favoriten.

08.09.2017

Von KATJA STURM

Gehört zu den erfahrenen Turnerinnen im deutschen Team: Elisabeth Seitz geht allerdings angeschlagen in die WM-Quali. Foto: Eibner

Gehört zu den erfahrenen Turnerinnen im deutschen Team: Elisabeth Seitz geht allerdings angeschlagen in die WM-Quali. Foto: Eibner

Stuttgart. Den letzten Lehrgangsabend verbrachten die deutschen Kunstturnerinnen beim Ballett. Bundestrainerin Ulla Koch hatte ihre Kollegen und einen Teil ihres Kaders in die Frankfurter Alte Oper eingeladen, bevor es am nächsten Tag und nach intensiver Vorbereitung auf die bevorstehenden Aufgaben wieder nach Hause ging. Die Maßnahme zählte zu denen, mit deren Hilfe die Bergisch Gladbacherin in den vergangenen Jahren die Sportlerinnen und ihre Betreuer zu einem bestens funktionierenden Kollektiv zusammengeschweißt hat.

Am morgigen Samstag allerdings kämpft jede erst einmal wieder für sich allein. Denn in der Stuttgarter Scharrena werden dann die Tickets für die Weltmeisterschaften Anfang Oktober im kanadischen Montreal vergeben, und dort, bei den im Olympiastadion von 1976 ausgetragenen Titelkämpfen, werden im nacholympischen Jahr nur Einzelmedaillen im Mehrkampf und an den Geräten ausgeturnt. Insgesamt vier Turnerinnen dürfen mit in den Flieger steigen, von denen jeweils drei pro Gerät antreten dürfen, und diese scheinen bereits festzustehen.

Schwaben-Trio wohl im Kader

So konnte sich Weltcup-Siegerin Tabea Alt schon bei einer internen Qualifikation während des Trainingslagers am Main für einen Einsatz an allen vier Geräten empfehlen. Anders als ihre nationalen Konkurrentinnen hatte die Ludwigsburgerin nach dem anstrengenden Frühjahr die Deutschen Meisterschaften beim Turnfest in Berlin ausgelassen, um ihrem strapazierten Körper eine Pause zu gönnen und sich erst mal wieder auf die Schule zu konzentrieren. Doch rechtzeitig scheint die 17-Jährige wieder in Form gekommen.

Dagegen plagte sich die deutsche Mehrkampfmeisterin Elisabeth Seitz längere Zeit mit Rückenproblemen und trat zur ersten Überprüfung auch nur an ihrem Paradegerät Stufenbarren an. Einen Einsatz an allen Geräten hatte die Olympiavierte zwar nicht vorzeitig abschreiben wollen, doch wie vielseitig fit sie sich wirklich in Kanada präsentieren kann, steht nicht fest. Auch ihre Stuttgarter Trainingskollegin Kim Bui, die bei der Universiade in Taiwan mit Silber glänzte, während ihre Kolleginnen sich in der Heimat im Training schindeten, hat gute Chancen auf die Reise nach Übersee.

Das favorisierte Quartett ergänzt die Chemnitzerin Pauline Schäfer. Der Rest der zehn Turnerinnen, die sich dem Kampfgericht in der baden-württembergischen Landeshauptstadt stellen, dürfte wohl nicht für die bereits am Samstagabend erfolgende Nominierung infrage kommen – außer Seitz und Co. passieren gravierende Patzer.

Spannender sollte die Entscheidung im Jahr eins nach dem Rücktritt von Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen bei den Männern sein, wo Bundestrainer Andreas Hirsch sogar sechs Namen auf seine Liste schreiben darf. Zwar kehren in Olympiaheld Andreas Toba aus Hannover und Andreas Bretschneider aus Chemnitz zwei der Leistungsträger der vergangenen Jahre nach langer verletzungsbedingter Pause wieder auf die Wettkampfbühne zurück. Doch beide werden sich noch nicht an allen Geräten präsentieren können: Toba nur an Pauschenpferd und Ringen, Bretschneider allein am Reck.

Auch Marcel Nguyen, zweifacher olympischer Silbermedaillengewinner von London 2012, will lediglich an Ringen und Barren antreten. Das bietet der nachrückenden Generation, darunter der in Stuttgart mit Elisabeth Seitz eine Turner-WG bildende Alexander Meier und der deutsche Meister am Reck, Felix Pohl (Kirchheim/Teck), die Gelegenheit, sich eine Lehrstunde auf internationaler Bühne zu verdienen.

Denn genau darum geht es in diesem Übergangsjahr, mit dem stets der neue Olympiazyklus eröffnet wird: Da sich viele Nationen im Umbruch befinden, stehen die Chancen auf ein erfolgreiches Abschneiden für die Etablierten nicht schlecht. Andererseits können sich die aufstrebenden Talente schon einmal bei den Juroren vorstellen. Es könnte also durchaus sein, dass jemand eine Mitfahrgelegenheit erhält, mit dem eher nicht zu rechnen war.