Corona
Königliches Flanieren statt geführter Rundgang
Von Dienstag an werden fast alle Schlösser in Baden-Württemberg geöffnet sein. Die Betreiber rechnen trotzdem mit drastischen Verlusten.
Besucher können Sehenswürdigkeiten wie das Residenzschloss Ludwigsburg auf eigene Faust erkunden. Führungen finden nicht statt, trotzdem brauchen die staatlichen Schlösser mehr Personal als sonst. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg/Ralf Cohen
Stuttgart. Die härteste Zeit der Einschränkungen ist vorbei: Seit einem Monat sind die meisten Schlösser in Baden-Württemberg geöffnet. Von Dienstag an werden es dann fast alle sein, sagt Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Allerdings werden nicht alle Monumente im vollem Umfang öffnen, zu unterschiedlich seien die Gegebenheiten, und jedes der Monumente brauche seine eigene Lösung, um der Pandemie-Verordnung des Landes gerecht zu werden.
So seien großzügige Anlagen wie das Residenzschloss in Ludwigsburg oder die Barockbibliothek des Klosters Wiblingen mit ihren großen Räumen und breiten Fluren einfacher zu bespielen als etwa das Meersburger Fürstenhäusle oder das Ludwigsburger Schloss Favorite. „Bei Schloss Favorite hatten wir Probleme mit dem Eingangsbereich“, sagt Hörrmann, doch auch dort öffnen sich am Dienstag wieder die Tore.
Dabei sei nicht alles negativ zu bewerten, was die Corona-Pandemie nötig gemacht hatte. So sieht der Schlösser-Geschäftsführer etwa im Residenzschloss Ludwigsburg durchaus auch einen „sekundären Krankheitsgewinn“: Dort werden die Besucher normalerweise in Führungen durch die Gemächer geführt. Und die geben ein gewisses Tempo vor. „Jetzt werden die Besucher einzeln eingelassen, können in ihrem eigenen Tempo durch die Räume wandeln und auch fotografieren.“
Auf der privaten Burg Hohenzollern bei Hechingen, die am Montag öffnet, nennt man das „Königliches Flanieren“. Der freie Besuch der Anlage wurde dort vor drei Jahren eingeführt, um zu Hochlastzeiten lange Warteschlangen zu vermeiden, sagt Sprecher Roland Beck. Nun wird das Flanieren zur Regel.
Was den Besucher erfreut, ist für die Schlossbetreiber eine zusätzliche Belastung. Denn wenn sich die Besucher einzeln im Schloss aufhalten, braucht man zwar keine Führer, wohl aber mehr Aufsichtspersonen, die zum einen auf die Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke aufpassen, zum anderen aber auch darauf achten, dass die Corona-Bestimmungen eingehalten werden.
Die Hygiene-Regeln treiben teils kuriose Blüten: Um die Böden zu schonen, geben die Mitarbeiter auf der Burg Hohenzollern normalerweise Pantoffeln an die Besucher aus. Da das nicht mehr machbar ist, ziehen sich nun rote Läufer durch die Schauräume. Heißt: Auch wer königlich flaniert, bleibt auf dem Teppich.
Insgesamt bedeutet Corona für die Schlösser mehr Aufwand, steigende Ausgaben und sinkende Einnahmen. Der Haushalt der staatlichen Schlösserverwaltung beläuft sich auf 25 Millionen Euro pro Jahr. Ein guter Teil kommt über Eintrittsgeld und Führungen wieder herein – rund 15 bis 16 Millionen Euro. Bislang. Denn jetzt bleiben viele Besucher weg. Besonders dramatisch ist das etwa beim Heidelberger Schloss, das vor Corona etwa 1,1 Millionen Menschen pro Jahr besucht haben – meist internationale Touristen und Reisegruppen. „Die sind jetzt ein Totalausfall“, sagt Hörrmann. Bislang habe man 2,7 Millionen Euro weniger eingenommen als im Vorjahr, hochgerechnet bis zum Jahresende rechnet er mit einem Defizit von etwa vier Millionen Euro.
Die Hoffnung des Geschäftsführers: „Viele Deutsche machen dieses Jahr im eigenen Land Urlaub. Vielleicht gelingt es uns, die Kurzurlauber zu mobilisieren, unsere Schlösser und Gärten zu besuchen.“