Auch Zehnkämpfer Ashton Eaton kann Usain Bolt die Show nicht stehlen

Könige zweiter Klasse

Nach knüppelharten zwei Tagen ist Ashton Eaton aus den USA wieder „König der Athleten“. Doch Usain Bolt stiehlt auch Zehnkämpfern die Schau.

20.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Zum zweiten Mal nacheinander Olympiasieger im Zehnkampf: Ashton Eaton aus den USA. Foto: Getty

Zum zweiten Mal nacheinander Olympiasieger im Zehnkampf: Ashton Eaton aus den USA. Foto: Getty

Rio de Janeiro. Jubelstürme für Sprint-Superstar Usain Bolt. Dazu muss er noch nicht einmal im Stadion sein. Es reicht, wenn nur auf der Anzeigetafel das 200-Meter-Finale angekündigt wird, und Applaus brandet auf. Da sind auch die so genannten „Könige der Athleten“, die Zehnkämpfer, zu Nebendarstellern degradiert. Zwei Tage lang haben sie im Olympiastadion von Rio alles gegeben, haben sich nach der 1500-Meter-Qual kaum eine halbe Stunde, bevor der große Jamaikaner lief, mit Krämpfen auf der Bahn gewälzt, sich dann nach Luft japsend umarmt und beglückwünscht.

Titelverteidiger und Weltrekordler Ashton Eaton, 28, hat mit 8893 Punkten eine olympische Bestmarke aufgestellt. Nur 52 Zähler fehlten dem US-Amerikaner zu seiner bisherigen Top-Leistung, aufgestellt bei der WM 2015 in Peking. Dem vier Jahre jüngeren Franzosen Kevin Mayer gelang mit Silber (8843) der große Durchbruch. Bronze holte sich der Kanadier Damian Warner (8666). Im abschließenden Rennen hielt er Kai Kazmirek klar auf Distanz. Der ebenfalls 25-Jährige von der LG Rhein-Wied schaffte persönliche Bestleistung (8580). Der hoch gehandelte Arthur Abele vom SSV Ulm 1846 konnte nach seiner Weltjahresbestleistung in Ratingen nicht wie erhofft auftrumpfen. Durchfall und Gliederschmerzen bremsten ihn. Mit 8013 Punkten landete er auf Rang 15.

Der Hallenser Rico Freimuth hatte schon am ersten Tag verletzt aufgeben müssen. Dass es Kazmirek zu keiner Medaille reichte, sondern zu Platz vier, schien er verschmerzen zu können: „Ich bin stolz und glücklich. Es hat großen Spaß gemacht. Das ist hier ja schließlich kein Wald- und Wiesensportfest.“

Trotzdem reichten Usain Bolt insgesamt vielleicht 20 Minuten im Stadion und 19,78 Sekunden auf der 200-Meter-Strecke, um Eaton und Co. ganz schnell von der Bildfläche zu verdrängen: Könige zweiter Klasse. Dass der Jamaikaner weniger überlegen triumphierte und von der erhofften Verbesserung seines Weltrekordes (19,19) weit entfernt war, minderte seine Gesamtleistung nicht: Zum dritten Mal in Serie hat er bei Olympia jetzt die 100 und die 200 Meter gewonnen. Nun soll als krönender Abschluss noch der dritte Staffel-Sieg folgen.

Bolt, der am morgigen Schlusstag seinen 30. Geburtstag in Rio feiert, setzt sich über die halbe Stadionrunde vor dem Kanadier Andre De Grasse (20,02) und dem Franzosen Christophe Lemaître (20,12) durch. Nach gewohnt großer Show mit Kniefall vorm Publikum nach seinem letzten olympischen Einzelstart war er so euphorisiert, dass er sagte: „Ich bin froh über den Weltrekord – äh, die Goldmedaille.“ Und dann wurde es noch ein bisschen sentimental. „Ich wollte mich hier verabschieden. Ich versuche, einer der Größten zu sein wie Muhammad Ali und Pelé und hoffe, dass ich nach den Spielen in dieser Kategorie anerkannt werde.“

Ihren sentimentalen Moment hatte auch Speerwerferin Christina Obergföll (LG Offenburg). Für sie sind es ebenfalls die dritten und letzten Olympischen Spiele. Nach Platz acht (62,92 Meter) umarmte die 34-Jährige alle Konkurrentinnen, besonders ihre gute Freundin Barbora Spotakova. Für die ein Jahr ältere Tschechin gab's nach Gold 2008 und 2012 nun Bronze. „Wäre schön gewesen, wenn wir als Mütter beide eine Medaille geholt hätten“, sagte Christina Obergföll. „Aber ich bin auch so zufrieden.“ Besonders mit Blick auf den vorherigen Nominierungsstreit: Katharina Molitor aus Leverkusen hatte versucht, sich nach Rio zu klagen. Nun war die Badenerin beste Deutsche, Christin Hussong und Linda Stahl blieben beim Finale der besten zwölf schon im Vorkampf hängen.

Auch für Kugelstoßer David Storl, den Vize-Weltmeister, war's ein Endkampf zum Vergessen. Nach Silber 2012 in London wurde er mit 20,64 Metern diesmal nur Siebter. Überragend im Ring: Ryan Crouser siegte mit olympischem Rekord von 22,52 vor US-Teamkollege Joe Kovacs (21,78) und dem Neuseeländer Tom Walsh (21,36). „Das ist schon enttäuschend“, sagte Storl geknickt. „Es lief nicht. Und da fühlt man sich irgendwie hilflos.“ Zur Bolt-Show hatte er längst seine Sachen gepackt, stand aber auch irgendwie nur daneben, als alle allein auf einen schauten.