Interview zu Nichtwählern

Christian Hesse: „Kleine Parteien profitieren“

Die Zahl der Nichtwähler ist hoch: Rund ein Fünftel der Deutschen wird laut einer aktuellen Forsa-Umfrage möglicherweise an der kommenden Bundestagswahl gar nicht teilnehmen.

16.09.2021

Von Sophie-Marie Erxmeyer

Christian Hesse, Professor an der Universität Stuttgart. Foto: Vlad Sasu

Christian Hesse, Professor an der Universität Stuttgart. Foto: Vlad Sasu

Berlin. Wer nicht wählt, hat aber trotzdem einen Einfluss auf das Wahlergebnis. Welcher das ist – und wie Parteien deshalb gestärkt werden, erklärt Mathematik-Professor Christian Hesse von der Universität Stuttgart.

Wären die Nichtwähler eine Partei, wären sie laut Forsa-Umfrage derzeit die zweitstärkste Kraft hinter der SPD. Aber obwohl diese Leute gar nicht wählen, profitieren die Parteien von ihnen – welche am meisten?

Christian Hesse: Mit jeder nicht abgegebenen Stimme wird jede abgegebene Stimme etwas wertvoller. Alle Parteien profitieren deshalb von den Nichtwählern – am stärksten aber kleine Parteien mit einer leicht zu mobilisierenden Kernwählerschaft. Die brauchen bei geringer Wahlbeteiligung weniger absolute Stimmen, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden.

Wie lässt sich das erklären?

Gehen beispielsweise 100 Leute wählen, benötigt eine Partei fünf Stimmen, um die Fünf-Prozent-Hürde zu erreichen. Ist die Wahlbeteiligung geringer und 80 Menschen nehmen an der Wahl teil, reichen vier Stimmen aus, um in den Bundestag zu kommen. Eine kleine Partei mit einer Stammwählerschaft, die auf alle Fälle abstimmt, wird von einer niedrigen Wahlbeteiligung deshalb profitieren. Typischerweise sind extreme Parteien so aufgestellt.

Sind Menschen, die zur Wahl gehen und ihren Stimmzettel ungültig machen auch einfach Nichtwähler oder werden sie anders gezählt?

Da gibt es tatsächlich einen gravierenden Unterschied: Wer zu viele Kreuze setzt oder aus Versehen seinen Stimmzettel unterschreibt, dessen Wahl ist zwar ungültig. Als Wähler mitgerechnet werden diese Leute trotzdem – denn auch sie sind Wähler, wenn auch ungültige Wähler. Sie spielen also eine Rolle, wenn es um die prozentualen Anteile der Parteien geht. Bisher sind diese ungültigen Stimmen aber nur ein sehr kleiner Anteil, der kaum ins Gewicht fällt.

Der Bundestag platzt fast aus allen Nähten: Ist es möglich, strategisch so zu wählen, dass die Sitze im Bundestag weniger werden?

Nein, das geht nicht – der Algorithmus, der unserem Wahlsystem zugrunde liegt und am Ende über die Größe des Bundestags entscheidet, ist dafür viel zu kompliziert.

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Erstellt:
16.09.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 16.09.2021, 06:00 Uhr

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