Tübingen · Nachhaltigkeit

Kleider wechseln Leute

Die dritte Freiluft-Tauschbörse von Greenpeace verwandelte den Holzmarkt zum Laufsteg für Kleidung, die zu schade zum Wegwerfen ist.

23.09.2019

Von Monica Brana

Zum dritten Mal lud Greenpeace zum Kleidertausch in Tübingen ein. Bild: Monica Brana

Zum dritten Mal lud Greenpeace zum Kleidertausch in Tübingen ein. Bild: Monica Brana

Wie von Geisterhand füllten sich am Samstagnachmittag vor der Stiftskirche einige Tische, vier Kleiderstangen und eine Schuhablage immer aufs Neue. Hunderte Interessierte blieben während des dreistündigen Open-Air-Kleidertauschs neben der Greenpeace-Info-Pyramide am Georgsbrunnen stehen, freundeten sich zur Probe mit potenziellen Jacken, Hemden und Hosen an, warfen dabei prüfende Blicke in den Spiegel oder auf den Gesichtsausdruck ihrer Begleiter.

Acht Freiwillige der Tübinger Greenpeace-Gruppe arrangierten Fadenscheiniges und Hochwertiges, sortierten Knäuel und beantworteten Fragen. Unablässig brachten derweil zielstrebige Besucher Nachschub herbei, durch den Passanten und passionierte Second-Hand-Freunde grabbelten.

„Die Menschen nehmen’s total an“, freute sich Greenpeace-Mitglied Ulrike Beck. Hier sei das Publikum gemischt, ansonsten sei Kleidertausch eher im studentischen Milieu verbreitet. Die dritte
Auflage des offenen Kleiderwechsels sei Bestandteil der „Week4Climate“-Aktionswoche, mit der die Schülerbewegung „Fridays for Future“ auf die Endlichkeit irdischer Lebensgrundlagen aufmerksam macht. Seit die Graswurzelbewegung 2018 an Bedeutung gewann, hätten die deutschen Greenpeace-Gruppen gemerkt, dass bei
vielen Menschen der Wunsch besteht, selbst aktiv zu werden. „Wir wollen etwas tun, nicht nur zuschauen.“

„Es ist schwierig, große Kleidung zu finden“, fand Fiona Klenke einige Schritte weiter. Die 22-Jährige stöberte mit einer Freundin nach Kleidung jenseits gängiger Normgrößen. Ein Täschchen in Lederoptik habe sie in dem
Sammelsurium vor sich aufgestöbert: Dieses passe problemlos, scherzte die 1,93 Meter große Frau. Ihr Eindruck sei, dass sich die Kleiderbörsen-Besucher gerade angesichts des Gratis-Angebots gründlich überlegten: „Brauche ist das oder nicht?“

Jungen Menschen werde der Weg zu gemeinnützigem Engagement manchmal unnötig erschwert, sagte Klenke. Dabei würden junge Leute sich gegenseitig inspirieren.

„Ich habe genug“, sagte eine 41-Jährige, die Kleidung zwar brachte, aber nichts mitnehmen wollte. Die Universitätsangestellte beobachtete von der Stiftskirchentreppe aus, wie die Teile, die sie und ihr Mann kurzfristig ausgemistet hatten, manchen ihrer Studenten und anderen Passanten gefiel. Dass es den Kleidertausch gibt, habe sie aus dem TAGBLATT erfahren. „Wir brauchen Aktionen, die Spaß machen“, sprach sie sich für das Event aus. Zwar seien Kinderkleiderflohmärkte in Tübingen verbreitet, unter Erwachsenen habe sich jedoch noch keine offene Tauschkultur entwickelt.

Als „coole Aktion“ bezeichnete Rinaldo Steller das emsige Kleidergewimmel zwischen Ärmeln, die sich gen Himmel reckten und schaufelnden Armen, die Stoffberge umwälzten. Vor allem die Lage in der Stadt setze ein Zeichen, bemerkte er, den Blick auf den einzigen Männer-Kleidertisch gerichtet, die umliegenden Filialen von Billig-Modeketten hinter sich. Er selbst brauche gerade nichts, jedoch sortiere er zu Hause regelmäßig den Kleiderschrank, sagte der LTT-Mitarbeiter. Tags zuvor war er bei der Klima-Großdemonstration von Fridays for Future mitmarschiert und forderte auf einem Transparent „Drama fürs Klima“. Jenseits der seltenen Kleidertauschbörsen seien Kleinanzeigen und Online-Börsen stets ein guter Weg, alte Kleidung in neue Hände abzugeben.

In einer vierköpfigen Studentenclique wurden lediglich die drei Frauen fündig. Er habe das Kleiderangebot jedoch nur ganz kurz inspiziert, sagte der 22-jährige Adrian bei einer Verschnaufpause auf der Stiftskirchentreppe. Gebe es solche Tauschformate regelmäßig, so wäre das für sie ein Anlass, ihren Schrank auszumisten, sagte die 19-jährige Chiara. Die 20-jährige Lara hatte über den Greenpeace-Newsletter vom Kleidertausch erfahren. „Bei dem Ansturm könnte man das öfter machen“, fand auch sie.

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Erstellt:
23.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 37sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2019, 01:00 Uhr

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