Eintracht Frankfurt

Klare Kante gegen Fremdenhass

Präsident Fischer will keine AfD-Mitglieder in seinem Verein dulden und löst damit eine heftige Kontroverse unter den Fans aus.

16.01.2018

Von ELISABETH ZOLL

Wirbt für ein weltoffenes Frankfurt und wendet sich mit scharfen Worten gegen die Ausgrenzungsrethorik der rechtspopulistischen AfD: Der Präsident des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, Peter Fischer. Foto: dpa

Wirbt für ein weltoffenes Frankfurt und wendet sich mit scharfen Worten gegen die Ausgrenzungsrethorik der rechtspopulistischen AfD: Der Präsident des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, Peter Fischer. Foto: dpa

Frankfurt. Walzermusik im Schunkelttakt erklingt: „Eintracht am Main, nur du sollst heute siegen“, tönt es aus rund 40 000 Kehlen. Die Eintracht-Fans in der Frankfurter Commerzbank-Arena stimmen sich ein. Heimspiel zum Auftakt der Rückrunde in der Fußball-Bundesliga. Aus voller Brust stärken die Stadion-Besucher ihrer Elf den Rücken. Doch stehen sie auch so geschlossen hinter ihrem Vereins-Präsidenten Peter Fischer? Der hatte kurz vor dem Jahreswechsel eine brisante Diskussion entfacht: „Es verträgt sich nicht mit unserer Satzung, AfD zu wählen.“ Niemand könne in der Eintracht Mitglied sein, der eine Partei wähle, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt. Fischer später gegenüber dem Hessischen Rundfunk: „Es gibt für die braune Brut keinen Platz. Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei der Eintracht Frankfurt geben.“ Die Worte provozieren. Nicht nur die AfD. Auch unter den knapp 50?000 Eintracht-Mitgliedern brodelt es. Wie politisch ist der Sport? Wie klar sollen sich seine Leitfiguren politisch positionieren?

Für Peter Fischer ist die Marschroute klar: „Sport muss politisch sein – und nicht nur sportpolitisch.“ Seit knapp 18 Jahren ist Fischer Präsident der Eintracht, am 28. Januar stellte er sich erneut der Wiederwahl. Seinen Kurs hat er öffentlich abgesteckt: Eintreten für eine offene Stadtgesellschaft, Flagge zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Der 61-Jährige bekennt sich damit auch zur Tradition des Vereins. 1899 gegründet, gerieten die Kicker zu Beginn der 30er Jahre schnell ins Visier der Nationalsozialisten. „Juddebube“ wurden die Fußballer verunglimpft, weil im Verein jüdische Sportler und Funktionäre waren. Auch Sponsoren wurden angegriffen, wie das Unternehmer J.& C.A. Schneider, das Hausschuhe, umgangssprachlich Schlappe, herstellte. Alle wurden verfolgt, manche ins Exil, andere in den Tod getrieben. Fischer zieht daraus seine Konsequenz: Nicht mehr schweigen, wenn eine Partei gegen Fremde hetzt.

In dieser Zuspitzung ist er ein Solitär – nicht nur in der ersten Bundesliga. Auch in unteren Ligen ducken sich viele weg, wenn gegen Fremde aufgewiegelt wird. Erinnert sei an den SSV Ulm 46, der nicht Manns genug war, sich 2009 dem breiten städtischen Bündnis gegen Rechts anzuschließen. Fischer sagt, er könne nicht öffentlich Reden halten zur Verlegung von Stolpersteinen, mit denen die Stadt an ermordete jüdische Mitbürger erinnert, oder über den Förderverein „Schlappekicker“, einer Hilfsaktion der „Frankfurter Rundschau“ für in Not geratene Sportler, Sportvereine mit einem Preis würdigen, die sich in besonderer Weise für die Integration Benachteiligter einsetzen, um dann zu organisierter Fremdenfeindlichkeit zu schweigen.

Auf dem grünen Rasen, wo die Eintracht an diesem Tag 1:1 gegen den Sportclub Freiburg spielt, spürt man nichts von der emotional aufgeladenen Debatte. Wohl aber an den Wurst- und Bierständen rund um die Arena, ebenso in den U- und S-Bahnen. Sabine Drescher vom Fanclub Nordhäuser Adler ist begeistert. Der Fischer sei „super“. Der habe verstanden, wo das Herz der Eintracht schlage: politisch auf der linken Seite. Seit 13 Jahren ist die Wahl-Frankfurterin Mitglied im Verein. „Ich trag' den Adler im Herzen.“ Große Zustimmung erwartet sie für den Präsidenten bei der Mitgliederversammlung. „Wiederwahl mit 120 Prozent“, sagt sie und lacht.

Ein älterer Eintracht-Fan ist da zurückhaltender. „Ob sich der überhaupt noch einmal aufstellen lässt?“, orakelt er. So wie Fischer könne man sich nicht äußern. Der Präsident wisse wohl nicht, wer in der Nordwest-Kurve sitze. Auch ein jüngerer Mann ist empört: „So etwas kann man nicht bringen“, sagt der 40-Jährige, während seine kleine Tochter mit Begeisterung die Eintracht-Fahne schwenkt. „Der tut der AfD Unrecht.“

Seinen Kumpel, Drazen Tonkovic, wiederum bringt diese Äußerung auf die Palme. „Wie kann man in einem Verein, in dem 16 Nationen im Mannschaftskader vertreten sind, gegen diese Stoßrichtung sein?“ Fischer habe Klartext geredet. „Lieber ein Fußball-Prolet (gemeint war Fischer) als ein Politik-Prolet“, setzt der Zahntechniker noch oben drauf.

Nun ergibt ein Satz den anderen, bis Drazen Tonkovic seinem Kumpel schließlich beschwichtigend auf den Rücken klopft. „Das liebe ich so an Deutschland“, sagt Tonkovic lachend. „Da kann man anderer Meinung sein, sich streiten und ist doch gut befreundet.“ In seiner Heimat Serbien würde solch eine Debatte anders ausgetragen werden.

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Erstellt:
16.01.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 16.01.2018, 06:00 Uhr

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