Corona

Kinderärzte fordern Schulöffnungen

Medizinerinnen und Eltern schreiben erneut an Ministerpräsident Kretschmann und Ministerin Eisenmann.

04.03.2021

Von ALFRED WIEDEMANN

Fellbach. Alle Schulen in Baden-Württemberg öffnen, Vereinssport für Kinder und Jugendliche wieder ermöglichen – im Regelbetrieb, unter Pandemiebedingungen mit Schutz- und Hygienekonzepten. Das fordern Kinderärzte in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Es dürfe nicht alles dem Infektionsschutz untergeordnet werden, heißt es im Schreiben. „Das Wohlergehen, die soziale Teilhabe und die Bildung unserer Kinder müssen priorisiert werden.“

Julia Fohr und Ruth Adam haben eine Kinder- und Jugendarztpraxis in Fellbach bei Stuttgart. Beide haben den Brief initiiert. „Das Thema brennt unseren Kolleginnen und Kollegen unter den Nägeln“, sagt Fohr. Nach zwei Tagen waren schon mehr als 280 Unterschriften von Ärzten und Eltern zusammen.

„Wir sehen jeden Tag in unserer Praxis die Folgen von Schulschließungen und Lockdown“, sagt Fohr. Viele Studien belegten, dass psychische und physische Auffälligkeiten bei Kindern deutlich zugenommen hätten, heißt es im Brief. Auch bei Vorsorgeuntersuchungen zeige sich, dass sich die Sprachkompetenz vieler Kinder verschlechtere, dass viele Gewicht zugenommen haben und der Medienkonsum besorgniserregend zunehme.

Die Schulöffnungen seit 22. Februar reichten nicht aus. Fohr verweist auf das Beispiel einer Drittklässlerin, deren Schule nach Mindestvorgaben öffnet: „Sie wird in fünf Wochen bis nach Ostern genau fünf Tage in der Schule sein!“

Es sei völlig klar, dass Sars-Covid-CoV2 zu schwerwiegenden Erkrankungen führen kann, die verhindert werden müssten. Neben der Verhinderung von Infektionen müsse es aber auch andere Prioritäten für die Gesellschaft geben. „Die psychische und physische Gesundheit unserer Kinder und ihr Recht auf Bildung und soziale Teilhabe gehören dazu“, heißt es im Brief.

Nach einem Jahr kein Konzept

Für eine gesunde Entwicklung benötigten Kinder Kontakt zu Gleichaltrigen, Spielmöglichkeiten, viel Bewegung, sagen die Ärztinnen. All das werde ihnen verwehrt. Nach einem Jahr gebe es immer noch keine „kinderfreundlichen Konzepte“ für soziale Teilhabe und Zugang zu Bildung. Dabei trügen Schüler nicht häufiger als andere Gruppen zu Coronainfektionen bei. „Warum dürfen sie dann nicht mit Hygienekonzepten in festen Klassenverbänden gemeinsam lernen?“, fragen die Ärztinnen.

Im Mai 2020 haben Fohr und Adam schon einmal in Briefen an Kretschmann und Eisenmann Schulöffnungen gefordert. Man werde das „Bestmögliche“ tun, lautete die Antwort. Inzwischen diskutiere man immerhin weitere Schulöffnungen. Die bisherigen Pläne für Grundschulen seien allerdings „völlig unzureichend“, sagt Fohr. Alfred Wiedemann