Shitstorm · Wannweil

Kinder sollen früh argumentieren lernen

Nach dem rechten Shitstorm gegen Wannweils Uhlandschule äußert sich nun der zuständige Schuldekan.

30.03.2019

Von sj

Vergangene Woche sah sich die Wannweiler Uhlandschule einem Shitstorm wegen einer Klassenarbeit zum Thema Islam ausgesetzt (siehe Infobox). Das Regierungspräsidium Tübingen und der zuständige Schuldekan prüften die Vorwürfe einer rechten Internetseite und halten diese für unbegründet.

So etwas noch nicht erlebt

Auf TAGBLATT-Anfrage äußerte sich Schuldekan Joachim Bayer zum Vorfall. Zu seinem Amt gehöre es, Beschwerden und Kritik nachzugehen, das sei alltäglich. „Eine solche Bedrohung und Beleidigung von Lehrkräften, wie sie sich in Wannweil ereignet hat, habe ich jedoch noch nie erlebt.“ An ihn persönlich oder an sein Büro habe sich aber keiner der Kommentatoren gewandt.

Vom Vorfall an der Grundschule erfuhr er von der betroffenen Lehrerin selbst und von der Schulleiterin. „Ich empfinde es als erschütternd, dass ein verkürzt und tendenziös dargestellter Bericht auf einer Internetseite dazu führt, dass Menschen, die sich in der Ausübung ihres Dienstes Tag für Tag um die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen sorgen, persönlich beleidigt, beschimpft und bedroht werden.“ Die Behandlung anderer Religionen sei bereits seit vielen Jahrzehnten inhaltlicher Bestandteil des evangelischen Religionsunterrichts – auch an Grundschulen.

Im TAGBLATT-Artikel vom 20. März hieß es: „Argumentationsaufgaben sind in verschiedenen Fächern wie Religion, Ethik, Deutsch und Geschichte normaler Unterrichtsbestandteil. Bewertet wird nicht die Meinung des Schülers, sondern dessen Argumentationskompetenz.“ Im Fall Wannweil wurden Stimmen laut, die dies als zu schwierig für Grundschüler einstufen. Dazu sagt Dekan Bayer: „Da Kinder bereits im Kindergartenalter von selbst anfangen, ihre Meinungen auszutauschen und zu begründen, darf dies in der Grundschule und im Unterricht gefördert werden.“ Bereits in der 3. und 4. Klasse erlebe er immer wieder, wie argumentationsfreudig die Kinder seien. Da sei es nur konsequent, wenn der Bildungsplan explizit das Vertreten und Begründen eigener Meinung fördere. Wichtig sei es selbstverständlich, bei Fragestellung und Bewertung auf ein altersgerechtes Niveau zu achten.

Das Land Baden-Württemberg formuliert in der Regel alle 10 Jahre neue Bildungspläne. Für allgemeinbildende Schulen geschah das zuletzt 2016.

Verbale Angriffe

Grund für die Aufregung war eine Grundschul-Klassenarbeit für das Fach evangelische Religion von 2016. Die Lehrerin hatte darin unter anderem Wissen über den Islam abgefragt und ihren Viertklässlern eine Argumentationsaufgabe gestellt: „Nehmen wir folgendes an: In deiner Straße soll eine Moschee gebaut werden. Was ist deine Meinung? Begründe.“ Der Vater eines Kindes meldete die Klassenarbeit der rechten Seite PI-News. Die Betreiber der Seite interpretierten die Aufgabe als „Islam-Gesinnungstest“. Es werde „auf perfide Art und Weise“ausgeforscht, welche Haltung die Schüler zum Islam haben. Daraus entwickelte sich ein rechter Shitstorm gegen die Religionslehrerin und die Uhlandschule. Es hagelte Mails und Kommentare, die auch Drohungen enthielten. Die Lehrerin traute sich zunächst nicht mehr an ihre Schule, es kam zu einem präventiven Polizei-Einsatz.