Stuttgart/Friedrichshafen

Keine Zwangsferien wegen Coronavirus im Südwesten

In Italien bleiben Schulen und Unis vorerst geschlossen. Derart drastische Maßnahmen hält man im Südwesten noch nicht für nötig. Folgen hat die Ausbreitung des Coronavirus dennoch.

05.03.2020

Von dpa/lsw

Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin von Baden-Württemberg, schaut in die Runde. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin von Baden-Württemberg, schaut in die Runde. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

Stuttgart/Friedrichshafen. Im Südwesten werden trotz der Coronavirus-Epidemie vorerst nicht wie in Italien flächendeckend Schulen geschlossen. „Zum jetzigen Stand sind flächendeckende Schließungen von Schulen kein Thema und nicht notwendig“, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Da es sich beim Coronavirus aber um ein dynamisches Szenario handelt, beobachten wir die Entwicklung in Abstimmung mit den Fachleuten der Gesundheitsbehörden sehr genau.“

Unterdessen breitet sich das Virus auch im Südwesten weiter aus - mit Folgen in anderen Bereichen. Unter anderem die Bildungsmesse didacta wird deswegen verschoben. Die Zahl der Infektionen in Baden-Württemberg lag am frühen Donnerstagabend bei 89. Dem Landesgesundheitsamt sind nach Angaben des Sozialministeriums bislang keine schweren Verläufe im Land bekannt.

Auch Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) ist gegen flächendeckende Schulschließungen. „Das ist derzeit keine Diskussion“, sagte er am Donnerstag im „Deutschlandfunk“. Man handle lagebezogen und schaue sich die Situation vor Ort an. „Dass es temporäre und punktuelle Schließungen einzelner Einrichtungen geben kann, das ist keine Frage - aber nicht grundsätzlicher Art.“

Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus bleiben in Italien bis zum 15. März alle Schulen und Hochschulen geschlossen. Das innerhalb der EU am stärksten betroffene Land reagiert damit auf die Epidemie.

Auch der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees, hält es für übertrieben, Kindergärten, Schulen und Universitäten nun auch in Deutschland zu schließen. „Das würde weit über den Schulbetrieb hinaus sicherlich zu einem Chaos führen“, erklärte Rees. Das Problem sei komplex: „Wenn wir wenige Fälle haben, müssen wir keine Schulen schließen. Wenn wir aber ganz viele Fälle haben, ergibt das auch keinen Sinn mehr, weil man sich dann überall anstecken kann. Schwierig kann die Entscheidung im Mittelfeld werden.“ Sinnvoller sei es, stattdessen Hygienevorschriften einzuhalten. Der Zustand der Toiletten an einigen Schulen sei desolat. Mancherorts könne man sich gar nicht die Hände waschen, weil keine Seife da sei.

Wegen der Ausbreitung des Virus auch im Südwesten werden weitere Veranstaltungen verschoben - so etwa die große Bildungsmesse didacta. Das zuständige Ordnungsamt Leinfelden-Echterdingen habe auf dringende Empfehlung des zuständigen Gesundheitsamtes des Landkreises Esslingen verfügt, dass die Bildungsmesse im März nicht stattfinden dürfe, teilte die Messe Stuttgart mit. Mit Hochdruck werde an einem nahen Alternativtermin gearbeitet. Ursprünglich sollte die Messe, die sich vor allem an Lehrkräfte und Erzieher richtet, vom 24. bis 28. März stattfinden. Die Messe Stuttgart hat etwa 85 000 Besucher erwartet.

Auch der Bildungskongress der Kommunalen Landesverbände am 27. März soll nun nicht stattfinden, wie der Städtetag mitteilte. Möglicherweise werde es einen Ersatztermin geben.

Die Messe Friedrichshafen verschiebt wegen des neuartigen Virus sowohl die ab diesem Freitag (6. März) geplante „Aqua-Fisch“ als auch die Verbrauchermesse „IBO“. Sie sollten zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die für Mitte März geplante „IBO“ besuchten im vergangenen Jahr rund 74 100 Gäste, zur „Aqua-Fisch“ kamen 2019 rund 21 000 Besucher.

Vor dem Hintergrund des Coronavirus nehmen Diskriminierungen gegenüber Menschen mit asiatischem Hintergrund nach Angaben eines Tübinger Vereins auch im Südwesten zu. Eine Umfrage unter chinesischen Studenten habe ergeben, dass mehr als die Hälfte in den vergangenen Monaten einmal oder mehrmals diskriminiert wurde, sagte Zuonan Cao vom Verein der Chinesischen Studenten und Wissenschaftler in Tübingen am Donnerstag. Die meisten Fälle hätten eindeutig mit dem Virus zu tun. „Das Coronavirus ist offensichtlich ein Anlass, dass rassistische Ressentiments offen gezeigt werden“, sagte Cao. „Früher waren sie eher unterschwellig.“

Die Studenten hätten unter anderem berichtet, dass sie in Supermärkten anders behandelt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln beleidigt worden seien. „Zwei Studentinnen wurden sogar im Imbiss beim Essen vom einem Sitznachbarn beschimpft“, sagte Cao. „Zum Glück haben ihnen die anderen Anwesenden geholfen.“

Auch der Tübinger Verein „adis“, der unter anderem eine Beratungsstelle für betroffene Menschen betreibt, registriert eine Zunahme der Diskriminierungen. Menschen, denen andere einen asiatischen Hintergrund zuschrieben, sei beispielsweise der Zutritt zu Arztpraxen oder Läden verweigert worden. Betroffene könnten sich in Beratungsstellen gegen Diskriminierung oder online Unterstützung holen, teilte der Verein „adis“ weiter mit. Anlaufstellen der Landesarbeitsgemeinschaft Antidiskriminierungsberatung gebe es beispielsweise auch in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Friedrichshafen und Stuttgart.

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Erstellt:
05.03.2020, 14:07 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 05.03.2020, 14:07 Uhr

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