Literatur

Keine Kinder und trotzdem glücklich

Die Norwegerin Linn Strømsborg rührt mit ihrem vierten Roman „Nie Nie Nie“ an ein gesellschaftliches Tabu.

15.04.2021

Von JANA ZAHNER

: Nie Nie Nie. Übersetzt von Stefan Pluschkat, Dumont Verlag, 256 Seiten, 20 Euro. Foto: Dumont Verlag

: Nie Nie Nie. Übersetzt von Stefan Pluschkat, Dumont Verlag, 256 Seiten, 20 Euro. Foto: Dumont Verlag

Oslo. Mit ihrem Manifest „Kinderfrei statt kinderlos“ löste Verena Brunschweiger 2019 einen wahren Shitstorm aus. Die Gymnasiallehrerin tritt für ein kinderloses Leben ein – zugunsten von Klima und Gleichberechtigung. Für die einen Leser gilt sie als mutige Tabubrecherin, andere forderten sogar, die Autorin sollte wegen ihrer Ansichten aus dem Schuldienst entfernt werden. Seitdem ist die Debatte um Kinderlosigkeit etwas in Vergessenheit geraten. Die Norwegerin Linn Strømsborg könnte die Debatte wieder anfeuern: „Nie Nie Nie“ heißt der neue Roman der 34-Jährigen. Es ist ihr mittlerweile vierter Roman, aber der erste, der in deutscher Übersetzung erscheint.

Strømsborgs namenlose Protagonistin ist wie die Autorin Mitte dreißig und seit acht Jahren glücklich mit ihrem Freund Philip zusammen. Die meisten ihrer Freundinnen haben bereits Kinder, ihre eigene Mutter strickt voller Hoffnung auf einen Enkel Babykleidung. Doch für die Ich-Erzählerin steht fest: „Ich will keine Kinder. Nicht mit ihm, mit niemanden. Schon gar nicht mit mir selbst.“ Dabei ist die junge Frau mit sich selbst im Reinen: Sie hat viele Freunde, trinkt aber auch gerne abends allein ein Bier in der Kneipe – vertieft in ein neues Buch. Sie kümmert sich liebevoll um ihre verwitwete Mutter, es gibt keine traumatischen Erfahrungen in ihrer Kindheit.

Feinfühlige Beobachtungen

Warum will sie also kein Kind, obwohl ihr Freud sich eines wünscht? Als Grund nennt die Protagonistin die Angst, sich selbst und ihre Freiheit zu verlieren. Ökologische Bedenken werden erwähnt, sind aber nicht ausschlaggebend. Gewicht erhält die Position der Hauptfigur vor allem durch ihr Umfeld, das mit allen Mitteln versucht, sie umzustimmen. Das Paradoxe: Ebenso wie es der jungen Frau zunehmend schwerfällt, ihre Kinderlosigkeit zu verteidigen, schaffen es auch die wohlmeinenden Freude und Verwandten nicht, stichhaltige Argumente für das Elterndasein zu formulieren.

Das Besondere an „Nie, Nie Nie“: Die Autorin schafft es durch ihre sensible Beobachtungsgabe, die Positionen nicht gegeneinander auszuspielen, für beide einen gleichwertigen Platz in der Gesellschaft einzufordern. Am Ende genügt dem Leser die simple, aber überzeugende Tatsache: Die Protagonistin will keine Kinder, lebt aber trotzdem ein glückliches, erfülltes Leben. Jana Zahner

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Erstellt:
15.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 15.04.2021, 06:00 Uhr

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