Naturschutz

Kein Nachwuchs: Streuobstwiesen in Gefahr

Die wertvollen Flächen werden abgeholzt oder verwahrlosen. Eine Initiative will nun mit einem Infozentrum wieder Begeisterung wecken.

09.07.2018

Von MADELEINE WEGNER

So idyllisch wie hier sehen die Streuobstwiesen im Land nicht überall aus. Viele Bäume sind bereits Straßen- oder Bauprojekten zum Opfer gefallen, die anderen werden gar nicht oder unzureichend gepflegt. Foto: Markus Sontheimer

So idyllisch wie hier sehen die Streuobstwiesen im Land nicht überall aus. Viele Bäume sind bereits Straßen- oder Bauprojekten zum Opfer gefallen, die anderen werden gar nicht oder unzureichend gepflegt. Foto: Markus Sontheimer

Mössingen. Streuobstwiesen prägen die Landschaft im Südwesten. Sie bieten eine blühende Pracht im Frühjahr und kostbare Ernte im Sommer und Herbst. Diese Kulturlandschaft hat ein großes Potenzial für Lebensqualität und Tourismus, außerdem eine Heimat für über 5000 Tier- und Pflanzenarten. Ihren Schutz hat sich das „Schwäbische Streuobstparadies“ zum Ziel gesetzt. In dem interregionalen Verein haben sich die fünf Landkreise Tübingen, Reutlingen, Böblingen, Esslingen und Zollernalb zusammengeschlossen. Auch das Land, Regierungspräsidien, viele Städte, Gemeinden und verschiedene Einrichtungen und Initiativen unterstützen den Verein, der nun ein interaktives Infozentrum in Mössingen (Kreis Tübingen) eröffnet hat.

Die Streuobstwiesen zwischen Schwäbischer Alb und Neckar bilden mit rund 26?000 Hektar und 1,5 Millionen Obstbäumen eine der größten zusammenhängenden Streuobstlandschaften Europas. Die ist allerdings bedroht: Bereits viele Obstbäume und Wiesenflächen sind im Laufe der vergangenen fünf Jahrzehnte Straßen- oder Bauprojekten zum Opfer gefallen. Ein Großteil der Bäume wird gar nicht oder nur unzureichend gepflegt.

„Es gibt immer noch ein Generationsproblem“, sagt Maike Schünemann vom Streuobstparadies. Viele Wiesen seien im Besitz Älterer, die sich nicht mehr darum kümmern können. Auf der anderen Seite gäbe es zu wenig engagierte Junge, die sich dafür interessieren. Der Verein ist deshalb schon 2015 in die (Bildungs-) Offensive gegangen und hat 80 „Streuobst-Pädagogen“ ausgebildet. In enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landratsämtern vermitteln diese in Grundschulen praxisnah entsprechendes Wissen und bewirtschaften ein Jahr lang mit Drittklässlern eine eigene Wiese. „Wir hoffen, über die Kinder auch bei den Eltern Interesse für Steuobstwiesen zu wecken“, sagt Schünemann.

Außerdem bietet der Verein Workshops und Seminare an, zum Beispiel zum eigenen Herstellen von Obstwein oder zur Bestimmung von Obstsorten. Die Streuobst-Experten geben auch Tipps für frisch gebackene Wiesenbesitzer – außerdem gibt es online eine Plattform für Anzeigen rund um Flächen, Früchte, Dienstleistungen und Streuobst-Zubehör. Noch in den Kinderschuhen steckt das Projekt mit dem Europapark, der für engagierte Wiesenbesitzer Sponsoren suchen will.

Um auch Touristen für Streuobstwiesen zu begeistern, gibt der Verein viele Tipps zu Wanderungen, Erlebnispfaden oder auch Streuobst-Radrouten. Das neue Aushängeschild des Paradieses ist ein zentrales Informationszentrum des Vereins. Es hat in einem denkmalgeschützten Fabrikgebäude der ehemaligen Mössinger Firma „Pausa“ einen Platz gefunden. 250?000 Euro hat der Verein in die Ausstellung investiert. Das Ministerium für Ländlichen Raum hat das Projekt mit 90?000 Euro unterstützt. Hier können Besucher, insbesondere auch Familien, spielerisch und interaktiv etwas über Streuobstwiesen erfahren – vom Baumschnitt über verschiedene Sorten bis zur Ernte.

Daten stammen von 2008

Ob die Bemühungen des 2012 gegründeten Streuobstparadieses bereits Früchte tragen und sich die Lage der Wiesen verbessert, wird sich demnächst zeigen. Die aktuellsten Informationen zum Streuobstbestand in Baden-Württemberg stammen aus der Erhebung aus dem Jahr 2008. In dieser Erhebung wurde ein Bestand von landesweit 9,3 Millionen Streuobstbäumen ermittelt, was einer Fläche von rund 116?000 Hektar entsprechen müsste. Im Auftrag des Umweltministeriums hat die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg bereits 2016 einen Forschungsvertrag mit der Universität Hohenheim geschlossen. Aktuelle Daten zum Streuobstbestand im Land wollen die Einrichtungen im Laufe des Jahres vorlegen.

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Erstellt:
09.07.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 09.07.2018, 06:00 Uhr

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