Familienunternehmen

„Kein Handwerker fährt zweimal auf die Baustelle“

Der Bauchemiehersteller Uzin Utz macht seine Produkte leichter, ökologischer und klüger. Die Brüder Julian und Philipp sagen warum.

25.05.2019

Von ALEXANDER BÖGELEIN

Julian (links) und Philipp Utz leiten das Unternehmen, das Produkte für das bodenverlegende Handwerk herstellt, aber nicht die Bodenbeläge. Foto: Marc Hörger

Julian (links) und Philipp Utz leiten das Unternehmen, das Produkte für das bodenverlegende Handwerk herstellt, aber nicht die Bodenbeläge. Foto: Marc Hörger

Der Fachkräftemangel auf dem Bau trifft die Firmenkunden der Ulmer Uzin Utz AG. Das trifft auch den boomenden Bauchemie-Hersteller, der sich in den vergangenen 100 Jahren von einem regionalen Klebstoffhersteller zu einem weltweit tätigen Komplettanbieter für Bodensysteme entwickelt hat.

Das Familienunternehmen arbeitet daher mit einem 100köpfigen Entwicklerteam und seinen Kunden daran, dass auch ungelernte Kräfte die Materialien für das bodenverlegende Handwerk richtig einsetzen. „Wir wollen unsere Produkte leichter, ökologischer und klüger machen“, sagen Julian und Philipp Utz, die seit 2018 an der Spitze des Familienunternehmens stehen.

Warum läuft ihr Geschäft so gut?

Philipp Utz: Unsere Branche profitiert von den niedrigen Zinsen an den Finanzmärkten. Viele Menschen investieren in ein Eigenheim oder sanieren dieses. Auf der anderen Seite haben wir aber seit Jahren mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen.

Was hat das miteinander zu tun?

Julian Utz: Wir freuen uns über die gute Auftragslage, aber nicht darüber, auf der Messe im Januar von unseren Kunden zu hören, dass sie bis Ende des Jahres keine neuen Aufträge annehmen können. Also ja, das Fahrwasser ist gut. Aber wir sehen es durchaus kritisch, dass sich das Handwerk so schwer tut, jungen Menschen eine Perspektive in diesem Bereich aufzuzeigen.

Was können Sie dagegen tun?

Julian Utz: Dieser Trend zeichnet sich in Deutschland seit dem Wegfall des Meisterzwangs 2004 ab. Genauso lange investieren wir in die Entwicklung neuer Systeme, die schneller und sicherer sind. So können unsere Kunden in der gleichen Zeit die doppelte Fläche an Boden verlegen.

Wie reagieren Ihre Kunden auf diesen Trend?

Philipp Utz: Sie geben mehr Aufträge an Subunternehmer heraus, um Spitzen abzuarbeiten. Für uns hat das die Konsequenz, dass unsere Produkte intelligenter werden müssen. Also, dass etwa ein auf der Baustelle anzumischendes Mehrkomponentenprodukt ungelernten Kräften anzeigt, wann es verarbeitungsbereit ist. Es gibt viele Länder ohne qualifiziertes Handwerk, wie wir es aus Deutschland kennen.

Woran liegt das?

Philipp Utz: Eine Ausbildung zum Parkett- oder Estrichleger existiert dort nicht. Stattdessen steht da ein Generalist, der heute eine Wand hoch zieht und morgen den Boden verlegt. Das verändert die Ansprüche an die eingesetzten Materialien. An dieser Stelle versuchen wir, durch Produktinnovationen einen Mehrwert zu generieren.

Warum tun Sie das?

Julian Utz: Es besteht die Gefahr, dass mit abnehmender Qualifikation Handwerker im Ausland nicht mehr die Vorteile von hochwertigen Materialien erkennen. Dann gewinnt der Preis an Relevanz. Darüber werden wir uns nicht positionieren – auch wegen unserer Fertigungsstandorte in Industrieländern.

Wo ist das Problem am größten?

Philipp Utz: Im Grunde haben nur Deutschland, Österreich und die Schweiz ein ähnliches Ausbildungssystem. Dann flacht es ab. Schon in Frankreich sind Handwerker weniger qualifiziert. Auch in den USA oder in Großbritannien.

Stichwort Innovation: Kann man sich bei Spachtelmassen und Klebstoffen als Markenhersteller überhaupt von Billigmarken abheben?

Philipp Utz: Gerade bei Sanierungsprojekten gibt es eine große Varianz an Anforderungen – etwa in Abhängigkeit der Untergründe oder der Statik. Da kommt es auf das Produkt selbst an, aber auch auf die Aufbauempfehlungen des Herstellers, also auf unsere Bauchemie-Expertise. Wir haben bei Uzin Utz eine erstklassige Anwendungstechnik, die oft schon bevor ein Produkt ausgewählt wird, mit den Kunden im Kontakt ist und über den optimalen Systemaufbau spricht. So können unsere Kunden ein bestmögliches Ergebnis erzielen – und vermeiden Reklamationen.

Sind Reklamationen ein so kritisches Thema?

Philipp Utz : Ja, weil kein Handwerker Zeit hat, zweimal auf eine Baustelle zu fahren. Die Betriebe haben keine Kapazität, keinen Puffer und kein Personal für so etwas. Sie brauchen Produkte, die in verschiedenen Kontexten tadellos funktionieren. Und kein Handwerker will Ärger mit seinen Kunden.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie neue Produkte?

Julian Utz: Wir haben uns Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben, nicht nur im Sinne von Kontinuität und Integrität in der Unternehmensführung. Auch der Umweltaspekt ist uns wichtig. Uns geht es aber nicht nur um Sicherheit und Ökologie wie zum Beispiel bei unserem neuen Hydroblocksystem.

Sondern?

Julian Utz: Wir wollen auch, dass die eingesetzten Rohstoffe nachhaltig hergestellt werden und unsere Produkte wieder- oder weiterverwertet werden können. Ein Beispiel dafür sind unsere Kunststoffkanister, für die wir gerade erst ein Entsorgungsmanagement eingeführt haben.

Welche Vision steht dahinter?

Philipp Utz: Dass wir eines Tages keine Primärrohstoffe mehr für Kunststoffkanister brauchen, sondern neue Exemplare aus recyceltem Material hergestellt werden können. Schon heute besteht der Großteil unserer Kunststoffbehälter zu 100 Prozent aus recycelten Materialien.

Um welche Größenordnung geht es?

Julian Utz: Wir werden Ende dieses Jahres allein am Standort Ulm mehr als 700 Tonnen auf dieses Recyclat umgestellt haben. Das entspricht einer Quote von mehr als 75 Prozent. Bei unserem Begriff von Nachhaltigkeit haben wir auch unsere Kunden im Blick.

Was heißt das?

Philipp Utz: Unter unserer Marke Codex haben wir ein neues Produkt für den Fliesenleger entwickelt. In diesem Fall muss der Handwerker anstatt wie bisher 25 Kilo nur noch 14 Kilo des Produktes auf die Baustelle tragen, das Produkt hat aber denselben Output. Nicht nur die Umwelt, auch die Ressource Mensch muss geschützt werden.

Ein Mitarbeiter prüft im Labor die Qualität von Spachtelmasse. Foto: Uzin Utz AG

Ein Mitarbeiter prüft im Labor die Qualität von Spachtelmasse. Foto: Uzin Utz AG

Zum Artikel

Erstellt:
25.05.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 35sec
zuletzt aktualisiert: 25.05.2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!