Blütenteppiche und Böllerschüsse zu Fronleichnam

Katholiken feierten in Rottenburg eine große Messe mit dem Bischof und mit einer langen Prozession

Nach dem nächtlichen Regen war der Himmel über Rottenburg am Donnerstag früh blank geputzt und genau richtig für das katholische Hochfest Fronleichnam, das sich vor allem im Freien abspielt.

01.06.2018

Von Hete Henning

Etliche hundert Gläubige kamen zum Pontifikalamt mit Bischof Gebhard Fürst auf dem mit Fahnen und einem Blütenteppich geschmückten Rottenburger Marktplatz ein.

Mit einem Leichnam hat Fronleichnam nichts zu tun. Die Bezeichnung leitet sich vom mittelhochdeutschen „vrône lîcham“ ab und bedeutet „der Leib des Herren“ (vrôn: den Herrn betreffend, lîcham: der Leib). Der Leib Christi und das letzte Abendmahl, das Jesus vor seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern feierte, waren denn auch Ausgangspunkt von Fürsts Predigt. Im Markus-Evangelium nimmt Jesus beim Abendmahl das Brot und sagt „Das ist mein Leib“. Er nimmt den Wein und spricht „Das ist mein Blut“. Jesus, so der Bischof, sei also Brot. „Jesus von Nazareth war wie ein Nahrungsmittel für die Menschen, für die alles sinnlos geworden war und die nach Gerechtigkeit, Würde, Anerkennung und Wertschätzung hungerten.“

Kirche in unruhigen Zeiten

„In Großbritannien“, stellte Fürst fest, „ist man dabei, ein Einsamkeitsministerium einzurichten. In Deutschland ein Heimatministerium.“ Kirche müsse in dieser Zeit voller Unruhe und sich ängstigender, sorgender Menschen, die seelisch obdachlos geworden seien, einen Zufluchtsort bieten. Seine Vision für Kirche heute sei eine, „in deren Gemeinschaft die Sinnsuchenden Sinn finden und die Verängstigten und Verunsicherten wieder Mut und Hoffnung schöpfen“. Es gelte, eine Kirche zu bauen, „die geistlich erneuert wird“, sagte der Bischof. Denn darum gehe es: „Dass wir den Menschen nicht Steine geben, sondern Brot.“

Mehrere hundert Gläubige kamen gestern früh zum Pontifikalamt mit Bischof Gebhard Fürst auf dem Rottenburger Marktplatz. Bild: Franke

Mehrere hundert Gläubige kamen gestern früh zum Pontifikalamt mit Bischof Gebhard Fürst auf dem Rottenburger Marktplatz. Bild: Franke

Musikalisch glänzend gestaltet wurde die Messe vom Musik- und Spielmannszug der Bürgerwache, der Stadtkapelle, dem Kirchenchor und der Choralschola St. Moriz, der Mädchenkantorei, den Domsingknaben, dem Domchor und der Choralschola am Dom, den Dombläsern um Stadtmusikdirektor Arno Hermann und Domorganist Ruben J. Sturm an der Orgel.

An den Gottesdienst schloss sich die feierliche Prozession an, bei der eine reich verzierte Monstranz mit einer geweihten Hostie unter einem schweren Brokat-Baldachin durch die Straßen getragen wurde. Voran ging wie immer die
Bürgerwache, die schon am Mittwochabend zum Großen Zapfenstreich auf dem Marktplatz angetreten war. An die tausend Zuschauer säumten den Platz und erlebten vor der Musik ein seltsames Schauspiel: Kurz vor 20 Uhr kam ein Stadtbus der Linie 3 auf seinem Weg zur Theoderich-Kapelle die Königstraße herauf, um den Marktplatz zu überqueren. Dem Fahrer, stellte Bernhard Schick vom Leitungstrio der Feuerwehrabteilung Stadtmitte fest, habe wohl niemand gesagt, dass am Vorabend von Fronleichnam die letzte Fahrt wegen des Zapfenstreichs ausfalle.

Im Rückwärtsgang die Königstraße retour ging’s wegen der Fußgänger nicht. Der Fahrer des völlig leeren Busses beriet sich kurz mit der Feuerwehr und setzte dann seine Fahrt vorwärts fort: Ganz langsam überquerte er den Marktplatz, manövrierte knapp um die vorher sorgsam auf dem Pflaster austarierten Kesselpauken herum und verschwand hinter dem Dom.

Prachtvoll geschmückt waren gestern die Außenaltäre am Morizplatz, beim Schänzle und vor dem Bischöflichen Palais, um die sich die an der Prozession teilnehmenden Vereine wie der Katholische Gesellenverein und die Urbansbrüderschaft, Chöre, Delegationen katholischer Studentenverbindungen, Orden, Messdiener, Erstkommunionkinder und die vielen Gäste versammelten. Am Morizplatz vermochte der Weihrauch kaum die betörend duftenden Pfingstrosen am Altar zu übertönen. Am Schänzle brachte der gewaltige Böllerschuss beim Segen einige Schwalben am Himmel ins Trudeln.

Viele der Prozessionsteilnehmer ließen sich nach dem Rundgang an den Biertischen auf dem Marktplatz nieder, wo das Hotel „Martinshof“ wie jedes Jahr Maultaschen servierte, und ließen es sich gutgehen. Andere ebenso gut besuchte Fronleichnamsfeste gab es etwa in Baisingen, Hemmendorf, Obernau und Börstingen.

Auch im protestantischen Remmingsheim wurde groß gefeiert: Es war Bockbierfest Bild: Henning

Auch im protestantischen Remmingsheim wurde groß gefeiert: Es war Bockbierfest Bild: Henning

Die Feste blieben trocken

Gefeiert wurde gestern aber auch im protestantischen Remmingsheim: Dort hatte die örtliche Brauerei Schimpf wieder zu ihrem Bockbierfest auf der Burgwiese geladen. Gegen 13 Uhr waren zwar noch viele der 2000 Sitz- und Stehplätze unter den Sonnenschirmen frei, aber leer war es mitnichten. Die sechs Männer von RoBlech, die seit 11 Uhr Blasmusik gemacht hatten, wurden von der Band Fun Music abgelöst, die mit der Police-Nummer „Every Breath You Take“ in relaxtem Country-Sound eröffnete. Einer, der sich schon mittags bei praller Sonne das Bier schmecken ließ, war Frank Baderscheider. Er schätze das Bockbierfest sehr, sagte er aufgeräumt, immerhin könne er mit Blick auf sein eigenes Haus im Remmingsheimer Neubaugebiet trinken – und problemlos zu Fuß heimgehen.

Lauschig war’s beim Familiennachmittag der Rottenburger Stadtkapelle hinter der Festhalle. Bild: Henning

Lauschig war’s beim Familiennachmittag der Rottenburger Stadtkapelle hinter der Festhalle. Bild: Henning

Lauschiger ging’s hinter der Rottenburger Festhalle zu, wo die Stadtkapelle zum Familiennachmittag unter großen Bäumen eingeladen hatte. Die Blaskapelle unter Leitung von Axel Hille spielte zackige Märsche, aber auch mal ein Udo Jürgens-Medley – alles ganz entspannt mit kurzen Hosen und teilweise barfuß. Die etwa 250 Gäste, die gegen 14.30 Uhr die Biergarnituren bevölkerten, wussten das umfangreiche Kuchenangebot (extrem lecker: Käse-Mohn-Kuchen) zu schätzen. Auch Würste und Steaks fanden dankbare Abnehmer und Abnehmerinnen. Weil sich der Himmel zugezogen hatte, richtete sich so mancher Blick angstvoll nach oben durch die Lücken im Blattwerk. Aber abgesehen von ein paar Tröpfchen blieb es auch dieses Jahr trocken an Fronleichnam.