Kommentar · Post von Ulla Steuernagel an den OB

Kann es sein, dass Sie Shitstorms suchen, Herr Palmer?

Lieber Boris Palmer!

14.05.2017

Von Ulla Steuernagel

Boris Palmer. Archivbild: dpa

Boris Palmer. Archivbild: dpa

Dies ist ein sehr offener Brief an Sie. Eigentlich ist er schon seit zehn Tagen überfällig, aber wer Angehöriger der (immer größer werdenden) Gruppe von Facebook-Verweigerern ist, kann in Ihrem Leben niemals auf dem Laufenden sein. Möglich, dass gerade schon der nächste Shitstorm über Sie hereinbricht, während wir hier noch dem Vorgänger-Orkan hinterherschauen.

Da hatten Sie es also neulich im Zug mit fünf jungen arabischsprechenden Männern zu tun, die – in gelebter Utopie, nämlich ohne Tickets – unterwegs waren und darüber hinaus auch noch offensive Auftritte hinlegten. Sie schossen also mit dem Smartphone zurück, knipsten und posteten das Foto. Sie haben zwar kein Selfie gemacht, aber irgendwie ist es doch ein Selfie von Ihnen geworden. Denn vor allem zeigen Sie in der auf Facebook geposteten Aufnahme Ihren eigenen Blick auf die Welt.

In dieser Welt sind Sie der Ehrliche, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der sagt, was draußen im Leben los ist und der dafür Prügel bezieht. Am liebsten erklären Sie den Gutwilligen und Friedfertigen die Wirklichkeit, die dann auf Ihre Äußerungen wie gewendet, nämlich reflexhaft bösartig und krawallig reagieren. Ihre Welt scheint von einem Menschentypus beherrscht, den Sie vor allem in Tübingen ausmachen: dem linksliberalen Naivling, der sich alles schön und einfach redet, aber notwendigerweise in irgendeiner Zukunft enttäuscht werden wird und dann ins andere Extrem verfallen muss.

In diesem Spiel mit klar definierter Rollenverteilung sind Sie der unbequeme Mahner, einer, der immer bereit ist, sich zu reiben, notfalls auch aufzureiben. Einer wie Sie schreckt niemals davor zurück, sich unbeliebt zu machen. Am liebsten holen Sie sich von Ihren Lieblingsgegnern, den Gesinnungsethikern, den Vorwurf ein, Sie seien Rassist und gehörten in die AfD. Noch bevor irgendjemand einen Muckser getan hat, nehmen Sie es bei dem geposteten Foto schon vorweg: „Ist es rassistisch, das zu beschreiben?“

Wenn wir Ihnen nun mal kurz Ihre Welt erklären dürfen: Wir glauben nicht, dass Sie Rassist sind – gut, Empathie ist nicht Ihre Stärke, aber das ist noch lange kein Rassismus. Mit Empathieproblemen haben es solch hochintelligente Überflieger wie Sie häufiger zu tun. Sie treten auch liebend gerne gegen ganze Gruppen an, denn drunter lohnt sich der Kampfeinsatz nicht. Dass Sie, Herr Palmer, Aufmerksamkeit genießen und brauchen – weiß man mittlerweile! Aber kann es sein, dass es immer schlimmer damit wird? Dass Sie Skandale und Shitstorms suchen? Sie sind auf dem besten Weg, ein politisches It-Girl zu werden.

Und wir sind es langsam leid, dauernd von Ihnen gewarnt und ermahnt zu werden. Als wären Sie der Entdecker der Probleme, die durch die großen Fluchtbewegungen entstehen. Könnten Sie zur Abwechslung nicht mal Ihre Lösungsvorschläge öffentlich machen. Worin könnten die bestehen? Drakonische Strafmaßnahmen? Internierung? Abschiebungen? Grenzen dichtmachen? Trauen selbst Sie sich nicht, das zu sagen?

Lassen Sie doch Smartphone und Facebook mal eine Weile ruhen, steigen Sie in eine Dienstlimousine mit Fahrer und denken Sie einfach mal probehalber über Lösungen für die Welt da draußen nach. Normalerweise sieht man die wachsende Weltferne von Politikern kritisch. Komisch, in Ihrem Fall wäre ein solcher Abstand ein interessantes Experiment und durchaus wünschenswert.

Boris Palmers Antwort kam via Facebook: