Lebensmittel

Kann Wasser „bio“ sein?

Zwei Institutionen in Deutschland zertifizieren Mineralwasser, ein staatliches Siegel gibt es nicht. Dafür juristischen Streit zwischen zwei Herstellern.

16.06.2021

Von CAROLINE STRANG

Für Mineralwasser gibt es zwei Bio-Siegel in Deutschland. Foto: ©Szasz-Fabian Jozsef/Shutterstock.com

Für Mineralwasser gibt es zwei Bio-Siegel in Deutschland. Foto: ©Szasz-Fabian Jozsef/Shutterstock.com

Ulm. Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Ende April war deutlich. Das Mineralwasser Volvic des Herstellers Danone darf nicht mehr mit „Bio-Qualität“ werben, das sei irreführend. Die Begründung: Von einem „Premiummineralwasser in Bio-Qualität“ werde nicht nur erwartet, dass es deutlich reiner sei als herkömmliches Mineralwasser, sondern auch unbehandelt. Die Verbraucher rechneten nicht damit, dass das Mineralwasser mit einen so hohen Arsenanteil gefördert werde, dass es schon den Anforderungen an die Mineral- und Tafelwasserverordnung nicht genüge und deshalb nachbehandelt werden müsse – in diesem Fall durch eine Filterung durch Mangansand.

Geklagt hatte der Getränkehersteller Neumarkter Lammsbräu und mit dem Urteil zumindest vorläufig einen juristischen Sieg errungen. Die Bio-Brauerei produziert Bier, Limonaden und Mineralwasser. Letztere werden von der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser zertifiziert einer der beiden Prüfstellen, die hierzulande überhaupt Siegel für Mineralwasser vergeben. Danone hingegen ließ sein Wasser von der anderen Stelle prüfen, dem SGS Institut Fresenius.

Im SGS Institut Fresenius ist man vom Urteil überrascht. „Auch Konsumenten von Mineralwasser mit Bio-Kennzeichnung wollen keine Eisenflocken in ihrem Getränk herumschwimmen sehen“, erklärt der dortige Mineralwasserexperte Sebastian Rau. Das könne aber passieren, wenn man generell jede Filtration von Mineralwasser mit Bio-Kennzeichnung verbieten würde. „Wir sind nach wie vor von der Rechtsauffassung überzeugt, dass die einfache Filtration sowohl den gesetzlichen Anforderungen an Mineralwasser allgemein als auch den viel weitergehenden Anforderungen an ein Mineralwasser mit Bio-Kennzeichnung entspricht.“

Diese weitergehenden Anforderungen legen die Zertifizierungsstellen übrigens selbst fest. „Sogenanntes Bio-Mineralwasser ist kein Bio-Lebensmittel im klassischen Sinne, denn es fällt nicht unter die EU-Öko-Verordnung“, sagt Armin Valet, der Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Ein staatliches Bio-Siegel gebe es für Mineralwasser nicht.

Bio-Mineralwasser muss laut einem Urteil des Bundesgerichtshof von 2012 höhere Standards erfüllen als herkömmliches Mineralwasser. Den Verbraucherschützern reicht das nicht. Sie fordern ein „echtes“ Bio-Siegel für Mineralwasser.

„,Bio' muss eine staatlich geschützte und kontrollierte Auszeichnung bleiben, deren Mindestkriterien einheitlich und gesetzlich festgelegt sind“, sagt Valet. Denn sonst werde der Leitspruch „Wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin“ im wahrsten Sinne des Wortes verwässert.

Franz Ehrnsperger, der Vorsitzende der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser, sieht das anders. Er ist stolz darauf, dass wichtige Bio-Verbände wie Bioland, Demeter, Naturland, der Biokreis sowie der Bundesverband Naturkost Naturwaren und die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller Mitglied sind. Zertifiziert seien derzeit 15 Getränkelinien von 12 Mineralbrunnenbetrieben.

Für die reiche es nicht aus, reines Wasser zu haben, sagt Ehrnsperger. So gelten strengere Grenzwerte – für Nitrat beispielsweise 5 statt 50 Milligramm pro Liter, wie die Mineral- und Tafelwasserverordnung festschreibt. „Uns ist nämlich nicht nur wichtig, dass heute bestes Wasser in der Flasche ist, sondern dass auch unsere Enkel noch wirklich reines Wasser haben.“

Deshalb müssten Mineralbrunnenbetriebe, die das Siegel tragen wollen, sich aktiv für den Wasserschutz einsetzen, etwa indem sie Bauern in ihren Regionen bei der Umstellung auf Ökolandbau unterstützen, sagt Ehrnsperger. „Das sind Aufgaben, die einen ganzen Mineralbrunnenbetrieb zum Wasserschutzaktivisten machen – und genau das ist unser Ziel.“

Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass die Bio-Mineralwassersorten häufig teurer sind. Dass sie besser sind, daran haben Verbraucherschützer Zweifel. Denn auch viele Mineralwasser ohne Bio-Siegel sind laut Stiftung Warentest und Öko-Test frei von Verunreinigungen. Das zeigten umfangreiche Untersuchungen. „Sie werden meist aus tieferen Gesteinsschichten gefördert“, erklärt Valet.

Er jedenfalls ist der Meinung: „Wenn Sie Bio-Mineralwasser trinken möchten, so greifen Sie zu einem Produkt aus der Region?– abgefüllt in einer Mehrwegflasche.“

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Erstellt:
16.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 16.06.2021, 06:00 Uhr

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