Leitartikel · Frauentag

Kampf ohne Ende

Jahr für Jahr wird am 8. März der Internationale Frauentag begangen. Von manchen. Einige Frauen bekommen Blumen, vorzugsweise in Ostdeutschland. Anderswo fragt man, was dieser Tag zu bedeuten habe.

08.03.2021

Von ANDRé BOCHOW

Berlin. Es gibt doch den Muttertag. In Berlin wurde der 8. März sogar Feiertag. Allerdings eher, weil sich die Regierungsparteien nicht auf die Feierwürdigkeit der Reformation einigen konnten.

Und doch bietet das Datum Gelegenheit, auf die Lage der Frauen aufmerksam zu machen. Nein, auch in diesem Jahr wird es noch nicht für die volle Gleichberechtigung von Frau und Mann reichen. Nicht einmal annähernd. Es ist ein mühsamer Prozess, die formal schon länger anerkannte Gleichstellung der Geschlechter auch im Alltag durchzusetzen. Bei den Löhnen, folglich auch bei den Renten, in den Führungsetagen von Politik, Kultur und Wirtschaft und nicht zuletzt im privaten Bereich.

Warum das so quälend vorangeht, obwohl doch klar ist, was fehlt, wird kaum noch gefragt. Man hat sich daran gewöhnt. Mann mehr, Frau weniger. Weil es offenbar so schwer ist, Grundsätzliches zügig zu ändern, wird stattdessen viel Zeit mit Debatten über die Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache vergeudet und mit Jubel über Erfolge wie die Frauenquote in der CDU oder für die Chefebene größerer Unternehmen.

Die für das wirkliche Leben wichtigeren Fakten geraten da schnell aus dem Blick. Etwa der erfüllte Kinderwunsch, der bedeutet, dass zwei Drittel der berufstätigen Frauen in Deutschland Teilzeit arbeiten und nur ein Bruchteil der Väter diesen einkommensmindernden Schritt vollzieht. Dass das Elterngeld zu drei Vierteln von den Müttern in Anspruch genommen wird, dazu viele Monate mehr als von Vätern. Und dass auf den meisten Frauen, unabhängig davon, wie viel Zeit sie für Erwerbstätigkeit aufwenden, tagtäglich noch einmal ein Arbeitstag in den heimischen vier Wänden wartet. Die deutsche Gesellschaft ist nach wie vor eine Männergesellschaft und täuscht sich mit Kanzlerin, Ministerinnen und Ministerpräsidentinnen darüber hinweg.

Es geht nicht nur um Löhne und Karrierechancen. Es geht nach wie vor auch um Gewalt gegen Frauen, die die Gesellschaft viel zu oft hinnimmt. Warum gibt es denn Frauenhäuser? Weil Frauen zu Hause geschlagen, gequält und vergewaltigt werden. Zwangsprostitution wird hierzulande in erschreckendem Maße akzeptiert. Jedenfalls scheren sich viele Freier nicht darum, und der staatliche Verfolgungsdruck ist angesichts dieser Form der Sklaverei viel zu gering. Beschneidungen, Zwangsehen und strukturelle Unterdrückung der Mädchen in den Familien sind auch in Deutschland zu finden. Der Islam und die Migranten gehören zu uns. Aber mit der Missachtung von Mädchen und Frauen dürfen wir uns deshalb doch nicht abfinden. Egal von wem sie ausgeht.

Es stimmt, dass es in vielen Teilen der Welt den Frauen schlechter geht als hierzulande. Ein Fortschritt, der erkämpft wurde. Der Kampf aber ist noch lange nicht beendet. Er muss von Frauen und Männern geführt werden. Ganz gleichberechtigt.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
08.03.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 08.03.2021, 06:00 Uhr

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