Soziales

Kampf gegen die Kinderarmut

Kurz vor der Wahl gerät die finanzielle Lage der Jüngsten in den Blick. Abhilfe ist teuer. Das planen die Parteien.

22.09.2021

Von Michael Gabel

Wenn das Geld fürs Essen fehlt  Kinderarmut in Deutschland. Foto: Jens Kalaene/dpa

Wenn das Geld fürs Essen fehlt Kinderarmut in Deutschland. Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin. Zum Ende des Wahlkampfs wird heftig über die finanzielle Absicherung von Familien mit Kindern diskutiert. So warb die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock beim letzten Triell für eine Kindergrundsicherung. SPD und Linke wollen Ähnliches, die Union verfolgt andere Pläne. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die Einführung einer Kindergrundsicherung den Staat bis zu 35 Milliarden Euro jährlich kosten würde.

Welche Varianten der Grundsicherung sind im Gespräch? Die Ansätze unterscheiden sich vor allem in der Höhe der monatlichen Leistungen. Die Einzigen, die in ihrem Wahlprogramm einen konkreten Betrag nennen, sind die Linken. Sie wollen „630 Euro für die ärmsten Kinder“, was „je nach Einkommenssituation bis auf 328 Euro abgeschmolzen“ werden solle. Grüne und SPD legen sich nicht fest. Früher genannte Zahlen liegen aber etwas unter den Vorstellungen der Linken.

Wie soll das finanziert werden? Indem zum einen bereits bestehende familienbezogene Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Zuschüsse zu Wohnkosten, Bildung und sozialer Teilhabe sowie steuerliche Freibeträge entfallen. Zum anderen durch weitere staatliche Zuschüsse.

Welche Zusatzkosten kämen auf den Staat zu? Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verursacht das Modell der Linken jährliche Zusatzkosten von bis zu 35 Milliarden Euro, die beiden anderen Modelle entsprechend weniger. „Da man jeden Euro nur einmal ausgeben kann, würde man für die Kindergrundsicherung wohl zusätzliche Schulden machen oder die Steuern erhöhen müssen“, betont Hentze.

Was will die Union? Laut Wahlprogramm will sie die Zahlungen für Familien leicht anheben und den Wust an Familienleistungen dadurch ordnen, dass sie in Zukunft „automatisiert, digital und aus einer Hand zur Verfügung stehen“. Am Ehegattensplitting hält die Union fest.

Welches Konzept favorisiert der Wirtschaftswissenschaftler? Wichtig sei, dass das bisher sehr komplizierte System von Familienleistungen vereinfacht werde, sagt Hentze. Das sei sowohl mit der Kindergrundsicherung als auch mit dem Unionsmodell möglich. Käme eine Kindergrundsicherung, müssten sich Eltern darüber im Klaren sein, dass das Ehegattensplitting abgeschafft würde. „Für viele Familien läuft das auf eine Steuererhöhung hinaus, die aber durch die Kindergrundsicherung zumindest teilweise kompensiert wird.“ Bei einer zu hoch bemessenen Kindergrundsicherung sieht der Ökonom allerdings das Problem, dass den Eltern „Anreize weggenommen werden, selbst erwerbstätig zu sein“.