Kunstturnen

„Kampf gegen Dämonen“

Simone Biles hat sich zu einem außergewöhnlichen Schritt entschieden: Der US-Star zieht sich aus einem Finale zurück – und berichtet über psychische Probleme.

29.07.2021

Von DPA

Turnstar Simone Biles aus den USA wird nicht am Einzel-Mehrkampf am Donnerstag antreten. Foto: Gregory Bull

Turnstar Simone Biles aus den USA wird nicht am Einzel-Mehrkampf am Donnerstag antreten. Foto: Gregory Bull

Tokio. Auf einmal war alles zuviel. In einem denkwürdigen Olympia-Finale hat Simone Biles die „Last der Welt“ abgeworfen – und einen Tag später sogar ihren Start im Einzel-Mehrkampf abgesagt. In dem Moment, als dem US-Superstar die Leichtigkeit des Turnens abhanden kam, setzte Simone Biles ein Zeichen. Aus Selbstschutz folgte die 24-Jährige der Vernunft: Die viermalige Olympiasiegerin der Spiele in Rio de Janeiro 2016 zog sich am späten Dienstagabend in Tokio aus dem Mannschaft-Finale zurück und überließ ihren drei Team-Kolleginnen die Bühne.

Mit der Silbermedaille um den Hals sprach Simone Biles anschließend mit schonungsloser Offenheit über ihre psychischen Probleme und die Gründe ihrer Aufgabe. „Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle. Daher ist es manchmal in Ordnung, die großen Wettbewerbe sogar auszusitzen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren“, sagte Biles und sprach vom „Kampf gegen Dämonen“ vor dem Wettkampf.

Am Mittwoch zog sie die nächste Konsequenz und sagte ihren Start im Einzel-Mehrkampf am Donnerstag (12.50 Uhr MESZ) ab. Für das Finale hatte sich Biles trotz zahlreicher Schnitzer mit 57,731 Punkten als Beste qualifiziert. Wie der US-Turnverband mitteilte, sei die Entscheidung nach einer medizinischen Bewertung gefallen, um den Fokus auf ihre mentale Gesundheit zu richten. „Simone wird weiterhin täglich bewertet, um herauszufinden, ob sie in den Einzel-Finals in der kommenden Woche teilnehmen kann“, schrieb der Verband. Die Geräte-Entscheidungen finden vom 1. bis 3. August im Ariake Gymnastics Center statt. In der Interviewzone zeigte Simone Biles die gesamte Gefühlspalette. Mal kicherte sie, mal kamen ihr Tränen. Besonders emotional wurde sie, als sie über das Gefühl sprach, nicht mehr selbst über sich und ihren Sport bestimmen zu können. „Diese Olympischen Spiele wollte ich für mich haben und ich kam hierher und dachte, dass ich es weiter für andere Leute mache. Das schmerzt mein Herz sehr. Das zu tun, was ich liebe, ist mir irgendwie genommen worden, um anderen Menschen zu gefallen“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.

Für ihre Offenheit erntete die 19-malige Weltmeisterin Respekt, Anerkennung und eine Welle der Sympathie bis hin zum Weißen Haus. „Dankbarkeit und Unterstützung sind das, was Simone Biles verdient“, twitterte Sprecherin Jen Psaki am Mittwoch.

Auch Sportler reagierten mit Hochachtung. Spaniens Basketball-Star Pau Gasol, der sich zur Wahl als Athletensprecher im IOC stellt, sicherte Biles seine Unterstützung zu. „Mentale Gesundheit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesundheit und muss immer Priorität haben. Wir brauchen eine Sportwelt, die das emotionale und mentale Wohlbefinden in den Fokus rückt“, schrieb der ehemalige NBA-Champion auf Twitter.

Schon am Tag zwischen Quali und Mannschafts-Finale hatte Simone Biles durchblicken lassen, dass der Druck zu groß ist: „Ich weiß, ich lasse es so aussehen, als würde der Druck keinen Einfluss auf mich haben, aber verdammt, manchmal ist es hart hahaha. Olympia ist kein Witz“, schrieb sie auf Instagram. dpa

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Erstellt:
29.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 29.07.2021, 06:00 Uhr

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