Kommentar zu den Mahnwachen für Raif Badawi

Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit

Es war ein Bericht von Amnesty international, der im Januar 2015 gleich mehrere Tübinger elektrisierte. Nur zwei Tage, nachdem islamistische Terroristen die Redaktion der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo hingerichtet hatten, wurde im saudi-arabischen Dschidda Raif Badawi öffentlich ausgepeitscht, weil er sich für Meinungsfreiheit und Menschenrechte eingesetzt hatte.

17.06.2017

Von Sabine Lohr

Christopher Gohl, Mitarbeiter am Weltethos-Institut in Tübingen und FDP-Bundestagskandidat, war entsetzt und zunächst, wie er damals dem TAGBLATT berichtete, auch hilflos. Dann hörte er von der Aktion des bayerischen FDP-Landesvorsitzenden Albert Duin. Der war in die saudische Botschaft in Berlin gegangen, um einen Teil der Prügelstrafe für Raif Badawi zu übernehmen. Gohl startete einen Aufruf: „Schlagt uns statt Raif!“

Zwei Tage später erschien im TAGBLATT ein Leserbrief des unermüdlich für Gerechtigkeit streitenden Max Steinacher, der zu einer wöchentlichen Mahnwache in Tübingen aufrief – jeden Freitag. Denn jeden Freitag sollte Badawi ausgepeitscht werden, mit jeweils 50 Schlägen. Am folgenden Freitag kamen 40 Tübinger zu dieser Mahnwache. Sie kamen Woche für Woche wieder.

Die Gruppe ist bewundernswert ausdauernd: Heute ist die 131. Tübinger Mahnwache für Raif Badawi. „Wir würden gerne damit aufhören“, sagte Gohl gestern beim Pressegespräch mit Badawis Frau Ensaf Haidar. Aber aufhören würden sie nur, wenn Badawi endlich freikommt.

Mit der Mahnwache allein ist es der Gruppe aber längst nicht getan. Sie reiste ein Jahr nach der öffentlichen Auspeitschung nach Berlin, um vor der saudischen Botschaft zu demonstrieren und Unterschriftenlisten zu übergeben. Und auch vor dem saudischen Generalkonsulat in Frankfurt protestierten die
Tübinger.

Hilft das was? Beeindruckt eine wöchentliche Mahnwache in Tübingen den saudi-arabischen König Salman irgendwie? „Die Regierung meines Landes bekommt alles mit“, ist sich Haidar sicher. Die Behörden in Saudi-Arabien wissen also vermutlich von den Protesten in Tübingen und anderswo. Zumal sich auch Außenminister
Sigmar Gabriel wegen Badawi ans saudische Königshaus gewandt hat.

Haidar geben die Mahnwachen Hoffnung, dass ihr Heimatland vielleicht doch einmal einlenkt. Vor allem aber geben sie ihr die Kraft, weiterzukämpfen. Und Badawi selbst stärken die Mahnwachen ebenfalls,
sagt sie.

„Erst, wenn Badawi ein Vorbild saudi-arabischer Kinder ist, wird auch die Region aufhören, religiösen Terror zu exportieren“, ist sich Gohl sicher. Auch dafür stehen er und all die anderen jede Woche – inzwischen immer samstags – auf der Kirchentreppe. Je mehr Menschen sich dazugesellen, desto größer ist auch die Chance, auf König Salman einzuwirken. Und desto größer ist die Hoffnung für Badawi.

Heute ist wieder eine Gelegenheit, mit zu protestieren. Auch Badawis Frau Ensaf Haidar wird bei der heutigen Mahnwache dabei sein. Beginn ist um 11 Uhr.