Julieta

Julieta

In dem Melodrama von Pedro Almodovar sucht eine Mutter ihre Tochter, die vor Jahren ohne ein Wort der Erklärung verschwunden ist.

04.04.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Julieta

Nach dem unansehnlichen Ausflug ins Gefild der Klamauk-Komödie („Fliegende Liebende“) ist Spaniens Regie-Star Pedro Almodovár reumütig zu seinem Lieblingsthema zurückgekehrt: dem Frauen- beziehungsweise Mütterschicksal.

Die Titelheldin ist eingangs eine verhärmte Mittfünfzigerin, die sich anschickt, mit ihrem Lebensgefährten von Madrid nach Portugal zu ziehen. Doch dann packt Julieta die Koffer wieder aus, nachdem sie durch Zufall einen vagen Hinweis auf den Verbleib ihrer Tochter bekommen hat. Zwölf Jahre früher hatte diese Antia kurz nach ihrem 18. Geburtstag den Kontakt zu ihrer Mutter schlagartig abgebrochen – ohne ein Wort der Erklärung und ohne dass es zuvor ein erkennbares Zerwürfnis gegeben hätte.

Aufgewühlt zieht Julieta wieder in das Haus, in dem sie früher mit ihrer Tochter gewohnt hat. Dort quält sie sich mit Erinnerungen, die als lange Rückblende auch am Zuschauer vorüberziehen. Demnach ist Antia (Blanca Parédas) Produkt einer Spontanaffäre mit einem Fischer, die in eine offenbar glückliche Beziehung mündet. Doch zehn Jahre später kommt der Gatte bei einem Unwetter auf See ums Leben – ausgerechnet während der ersten ernsthaften Ehekrise. Danach kümmert sich die noch halbwüchsige Antia liebevoll um ihre von Schuldgefühlen geplagte und in einer Depression versinkende Mutter – bis sie eines Tages einfach weg ist.

Die aus Erzählungen der Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro zusammengebastelte Geschichte ist um einiges simpler als „Volver“ oder „Alles über meine Mutter“, doch inszenatorisch schöpft Pedro Almodovár wieder aus dem Vollen. Elegant jongliert er mit Versatzstücken aus Melodrama und Thriller, schlägt Brücken zur Filmgeschichte (vor allem Hitchcocks „Rebecca“) und lässt beiläufig den kulturellen Wandel Spaniens seit den 1980-er Jahren vorbeidefilieren. Die schauspielerischen Leistungen von Emma Suárez (Julieta alt) und Adriana Ugarte (Julieta jung) sind ebenfalls superb.

Was den Kern der Erzählung, das Verschwinden Antias angeht, streut der Regisseur zwar Indizien, die sich aber nicht zu einer stimmigen psychologischen Erklärung fügen. Vielmehr scheint er vermitteln zu wollen, dass es für vieles im Leben eben keine Erklärung gibt – zumindest nicht für den Einzelnen, der immer nur einen Ausschnitt des Geschehens überblickt. Eigentlich schreit der Film nach einem zweiten Teil, der die Geschichte aus Sicht der Tochter schildert.

Trauriges Frauenschicksal in prallen Farben – das kann so nur Pedro Almodovár.

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Erstellt:
04.04.2016, 09:46 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 04.04.2016, 09:46 Uhr

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Garcia 06.08.201623:12 Uhr

Unerwartet langweilig, bunt und banal, nach "mujeres", "volver", und all den vielen tollen Amodovarfilmen enttäuschend.

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