Irgendwann war er zu allem bereit

Journalist reiste ohne Geld um die Welt

Der Journalist Michael Wigge hat es mit leerem Geldbeutel bis zur Antarktis geschafft. In Gomaringen erklärte er, wie das geht.

20.11.2017

Von Susanne Mutschler

„Irgendwann ist man zu allem bereit“, sagt Michael Wigge. Der Journalist hat es geschafft, ohne Geld bis zur Antarktis zu reisen. Er verdingte sich unter anderem als menschliches Sofa und professioneller Eincremer.Privatbild

„Irgendwann ist man zu allem bereit“, sagt Michael Wigge. Der Journalist hat es geschafft, ohne Geld bis zur Antarktis zu reisen. Er verdingte sich unter anderem als menschliches Sofa und professioneller Eincremer.Privatbild

In Köln mimt Michael Wigge für einen exzentrischen Freund den Butler und poliert dessen zahlreiche Sportwagen. Der kauft ihm dafür ein Zugticket bis Brüssel. In Antwerpen erzählt er der Bäckereiverkäuferin einen Witz und kriegt dafür ein Muffin geschenkt. Er nervt einen niederländischen Reeder durch seine Bitt-Telefonate dermaßen, dass der ihn auf seinem Schiff bis Kanada mitfahren lässt, bloß damit er nicht mehr anruft. In einem selbstgestempelten Dokument, mit dem er seinem Reiseprojekt einen offiziellen Charakter verleiht, gibt er sich als Claus Kleber aus und schaut sich umsonst die Niagarafälle an.

Reiseidee als Selbsttest

Die Idee, eine Weltreise ohne Geld anzutreten, sei 2009 einerseits ein Test gewesen, ohne Konsum auszukommen, andererseits habe er tatsächlich nicht genug finanzielle Mittel gehabt für eine Weltreise. Am vergangenen Freitag berichtete Wigge im Gomaringer Schloss von seiner Reise und stellte sein Buch „Ohne Geld ans Ende der Welt“ vor.

Ungewöhnliche Dienstleistungen

„Man muss auch ein Gen dafür haben, so was Verrücktes zu machen“, bekennt sich Wigge zur eigenen Chuzpe. Ein halbes Jahr lang bereitete er sich auf seine Tour vor, erkundete kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten wie das Coach Surfing, aktivierte seine Freund-und Bekanntschaften in aller Welt und überlegte sich ausgefallene Tauschgeschäfte und ungewöhnliche Dienstleistungen. „Ich wollte weder arbeiten noch betteln“, sagte er.

Menschliches Sofa und Passanten-Schieber

So bietet er sich in Las Vegas mit einem Kissen auf dem Rücken als „menschliches Sofa“ an. Gegen freiwillige Spenden organisiert er in San Francisco öffentliche Kissenschlachten zum Frustabbau oder schiebt als „Hill Helper“ müde Passanten ein Stück die steilen Straßen der Stadt hoch. Am Strand von Malibu versucht er sich als professioneller Sonnenmilch-Eincremer.

Ein Handstand für den Kaffee

Michael Wigge reist leidenschaftlich gerne, ist ungeheuer kontaktfreudig und äußerst spitzfindig im Herausfinden von geldfreien Fortbewegungs- und Versorgungswegen. In Cleveland lässt er sich von Amish People in einer Pferdekutsche mitnehmen und kriegt neben einer Bibel ein Mountain-Bike geschenkt, an dem allerdings nur noch der 18. Gang funktioniert. In einem Starbucks-Café wird er umsonst bedient, weil er vor dem Tresen einen Handstand macht.

Vier Kontinente und 35000 Kilometer

150 Tage lang war der wagemutige Journalist unterwegs. Wigge durchquerte auf einer Strecke von 35 000 Kilometern vier Kontinente und elf Länder, bat in rund 500 Geschäften um Gratis-Essen und fand mindestens 100 Leute, die ihm weiterhalfen, weil sie sein außergewöhnliches Reiseprojekt unterstützen wollten. Er wird als Anhalter mitgenommen, obwohl das in den USA nicht erlaubt ist. Dem deutschen Botschafter von Panama ist er als Butler auf einer Gartenparty zu Diensten und steht als Statist in der Zauberflöte auf der Bühne. „Irgendwann ist man zu allem bereit“, sagte er. Um am Inka Trail nach Machu Pichu teilnehmen zu können, überfordert er sich als Träger bei einer Expedition. In Buenos Aires kriegt er für seine Stegreifdialoge mit einem mitgebrachten Krümelmonster Geldgeschenke und kommt damit sogar umsonst ins Fußballstadion. Auf der Kreuzfahrt von Patagonien zur Antarktis ist er mitarbeitender Passagier. Schließlich an seinem Sehnsuchtsort angekommen, entdeckt er, dass es dort vor allem klirrend kalt ist.

Die Welt als guter Ort

In dem Buch „Ohne Geld ans Ende der Welt“ hat Wigge seine ganze Reise aufgeschrieben. „Die Welt ist ein guter Ort. Die Leute helfen“, fasste er seine Erfahrungen zusammen. Die Großzügigkeit und Freigiebigkeit, die er unterwegs erlebte, steht für ihn in keinem Widerspruch zu seiner Selbstvermarktung. Vorträge und Bücher gehören zu meinem Berufsbild, erklärte er. Durch den Aspekt, die Reise ohne Geld zu machen, sei das ganze Unternehmen viel bunter und spektakulärer geworden.