Nordische Kombination

Johannes Rydzek: „Ich mag's, wenn es weh tut“

Mit 26 Jahren hat der Nordische Kombinierer Johannes Rydzek bereits alle wichtigen Wettkämpfe in seinem Sport gewonnen. Trotzdem hat der Oberstdorfer noch lange nicht genug.

28.07.2018

Von CHRISTIAN KERN

Strahlt mit der Sonne um die Wette: Johannes Rydzek bei der Logo-Präsentation der Nordischen Ski-WM 2021. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Strahlt mit der Sonne um die Wette: Johannes Rydzek bei der Logo-Präsentation der Nordischen Ski-WM 2021. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Oberstdorf. Es ist zwar nur eine kleine Geste, sie sagt aber viel über den Charakter von Johannes Rydzek aus. Der 26-Jährige ist bereits seit Stunden umringt von Journalisten, gibt geduldig Interviews und posiert für die Kamera, als einige Wintersportfans ihn erkennen und nach einem Autogramm fragen. Während andere Sportler seines Kalibers wohl genervt verneint hätten, nimmt sich Rydzek Zeit für jeden Einzelnen, verteilt Unterschriften mit persönlicher Widmung und lässt sich freudestrahlend mit Kindern ablichten.

In diesen Momenten ist Rydzek nicht der Doppel-Olympiasieger und sechsfacher Weltmeister in der Nordischen Kombination, der im Rampenlicht steht und auf keiner Sportlergala fehlen darf, sondern einfach nur Johannes, ein bodenständiger Mann aus Obersdorf, der sich lächelnd die Komplimente einer älteren Frau anhört und sich dafür artig bedankt. „Sowas ehrt einen natürlich sehr“, meint Rydzek glücklich.

Karrierekrönung in Südkorea

Diese „Ehrungen“ werden ihm immer häufiger zuteil – sogar bei einem Tennis-Turnier in Stuttgart, das er inkognito besucht hat, sei er erkannt worden, berichtet er verwundert. Der Grund dafür liegt zwar bereits ein paar Monate zurück, die entscheidenden Momente hat Rydzek aber noch ganz genau in Erinnerung: Pyeongchang, Olympische Winterspiele, 20. Februar 2018. Drei deutsche und ein norwegischer Kombinierer kämpfen in Südkorea nach knapp zehn kräftezehrenden Kilometern im Langlauf kurz vor dem Ziel um Gold im Einzel, als der Obersdorfer in seiner unnachahmlichen Art attackiert und den Sieg vor seinen beiden Teamkollegen Fabian Rießle und Erik Frenzel holt.

„In dem Augenblick hat sich mein Kindheitstraum erfüllt“, meint Rydzek rückblickend. Zwei Tage später holte er nach einer überragenden Leistung im Team seine zweite Goldmedaille. Damit war der Obersdorfer mit seinen 26 Jahren endgültig zu einer Ikone in seinem Sport geworden. Daher kamen mit dem Erfolg auch zwangsläufig die Fragen auf: Was will „Super-Ritschi“ noch erreichen? Ist er gesättigt und selbstzufrieden? Kehrt er womöglich dem Sport auf dem Höhepunkt seiner Karriere den Rücken, ähnlich wie es die Biatlethin Magdalena Neuner getan hat?

Training zu Fuß und mit dem Rad

Fragen, über die Freunde und Angehörige von Rydzek wohl nur müde lächeln können. Denn bei genauerem Betrachten der Person hinter dem Athleten wird klar: Ans Karriereende denkt der ehrgeizige Oberstdorfer noch lange nicht. So hat sich der Sportfanatiker bereits für den Sommer neue Ziele gesteckt, will zum Beispiel die sieben Berge um den Rappensee an einem Tag ablaufen oder erneut seine „berühmte“ Lechtal-Runde über 200 Kilometer mit dem Fahrrad fahren. All das, um in der kommenden Saison wieder in Topform zu sein. „Gerade das Radfahren ist sehr gut für die Kondition“, meint Rydzek. Daneben geht er alle zwei bis drei Wochen ins Trainingslager und feilt mit Bundestrainer Hermann Weinbuch akribisch für den Winter.

Was für andere pure Quälerei bedeutet, ist Rydzeks Lebensentwurf. „Ich mag es, wenn es weh tut, wenn man auf die Zähne beißen und alles aus sich herausholen muss“, so der 26-Jährige. Für ihn sei es deswegen auch kein Problem gewesen, als Jugendlicher eisern zu trainieren, statt jede Woche auf eine Party zu gehen. Eine Entscheidung, die sich rasch bezahlt machte. Bereits mit 23 wurde er im schwedischen Falun Doppelweltmeister, zwei Jahre später holte er sogar in allen vier Disziplinen der Nordischen Kombination den Titel, was davor noch keinem gelungen war.

Im kommenden Winter will der 26-Jährige diese Rekordsammlung bei der WM im österreichischen Seefeld wiederholen. Doch nicht nur deswegen werden die Wettkämpfe für Rydzek etwas ganz besonderes: Der Ort in Triol liegt nur rund 150 Kilometer von seiner Heimat Oberstdorf entfernt. Daher wird die WM für ihn bereits zum „kleinen Heimspiel.“Das große Highlight soll aber zwei Jahre später folgen: Die Heim-WM in seinem Wohnzimmer Oberstdorf. „Das sind immer ganz besondere Rennen für mich“, meint er. Doch bis dahin will er noch weitere Titel sammeln – und seine Fans mit Autogrammen glücklich machen.