Modisches aus Rottenburg

Jogginghosen gehören auf die Couch

Die Kreuzerfeld-Realschule verbietet „Freizeitkleidung“ im Unterricht. Andere Rottenburger Schulen sehen derzeit keinen Bedarf für eine schriftliche Kleiderordnung.

16.03.2019

Von Michael Hahn

Nichts für den Unterricht an der Kreuzerfeld-Realschule: Die Jogginghose. Bild: Dunja Bernhard

Nichts für den Unterricht an der Kreuzerfeld-Realschule: Die Jogginghose. Bild: Dunja Bernhard

Ein Dreivierteljahr war die neue Regelung in Vorbereitung, seit sechs Wochen ist sie nun in Kraft: Die Ziffer 13 in der neuen Schulordnung der Kreuzerfeld-Realschule. Sie lautet: „Wir kleiden uns in der Schule angemessen. Unsere schulische Kleidung unterscheidet sich von unserer Freizeitkleidung.“ Elternvertreter haben an der Formulierung mitgewirkt, die Gesamtlehrerkonferenz hat darüber abgestimmt.

„Angemessen“, das klingt immer gut. Aber was bedeutet es konkret? „Das ist auslegungsbedürftig“, sagt Rektor Hartmut Schänzlin auf Nachfrage. Und genau diese Diskussion sei auch gewünscht. „Wir wollen unsere Schüler sensibilisieren.“ Wie kleidet man sich für eine Abschlussfeier? Wie als Zuhörer in einer Gerichtsverhandlung? Und vor allem: Für den Unterricht?

Anfangs ein Riesen-Thema

Bei vielen Jugendlichen sind derzeit Jogginghosen beliebt. Um sie ging es auch in einer großen Schulversammlung zur Einführung der neuen Schulordnung. „Das war am Anfang ein Riesen-Thema“, berichtet Schänzlin. Manche Schüler hätten ihm sogar gesagt: „Ich habe gar keine anderen Hosen.“

Der Rektor gibt zu: „Es gibt mittlerweile auch sehr modische Jogginghosen.“ Trotzdem ist für ihn klar: Das ist Freizeitkleidung. „Zum Beispiel an einem regnerischen Sonntagnachmittag zuhause auf der Couch.“ Im Unterricht seien Jogginghosen eben nicht „angemessen“.

Und was passiert, wenn nun ein Jugendlicher mit seinem Mode-Geschmack partout provozieren will? Man kann ja wohl kaum verlangen, dass er die Jogginghose auszieht und in der Unterhose am Unterricht teilnimmt? Selbstverständlich nicht, sagt Schänzlin. Zunächst appellieren die Lehrer/innen an die Einsicht des Schülers, und das sei auch meist erfolgreich.

Bei wiederholten Verstößen gegen die Schulordnung werde er die Eltern zum Gespräch bitten, sagt der Rektor. Und hat bereits festgestellt: Viele Eltern begrüßen die neue Regelung. Schon mehrere hätten ihm gesagt: „Das hilft mir auch als Erziehungsberechtigtem“ – vor allem morgens, bevor die Kinder aus dem Haus gehen.

Veto gegen Abi-Sprüche

Am Eugen-Bolz-Gymnasium sieht man derzeit keine Notwendigkeit, die Kleiderordnung schriftlich zu regeln, sagt dessen Rektor Andreas Greis. Jogginghosen sind am EBG nicht verboten. „Jeder blamiert sich, so gut wie er kann“, denkt sich der Rektor manchmal. Aber er spreche durchaus einzelne Schülerinnen und Schüler an, wenn ihre Bekleidung aus dem Rahmen fällt.

Vor ein paar Jahren seien die Oberteile mancher Mädchen „extrem knapp“ gewesen, erinnert sich Greis. Oder die Aufdrucke auf den Pullis passen nicht an eine Schule. Ein Hanfblatt oder ein Joint, „das geht gar nicht“, findet Greis. Auch die Sprüche, die sich die Abiturs-Jahrgänge auf ihre T-Shirts drucken lassen, lässt sich der Rektor vorlegen – und hat auch schon sein Veto eingelegt.

„Komische Trinksprüche“ auf manchen Pullis hat auch Thomas Müller schon bemerkt, der Rektor der Carl-Joseph-Leiprecht-Schule. In einem solchen Fall bittet er dann den Schüler zum Gespräch ins Rektorat, das komme „vielleicht drei Mal im Jahr“
vor. „In der Regel sehen die das dann auch ein.“ Auch die katholische Gemeinschaftsschule hat keine schriftliche Kleiderordnung. Trotzdem sei allen klar: Mit einer Baseballkappe geht man nicht in den Gottesdienst oder in die Mensa.

Im Unterricht sind Basecaps abzunehmen, sagt Peter Scheiger vom Sankt-Meinrad-Gymnasium. Aber schriftlich festgehalten ist das nirgends. Angemessene Kleidung sei am SMG „kein akutes Thema“. Zweifelsfälle regelt auch Scheiger im persönlichen Gespräch mit den jeweiligen Jugendlichen. Dabei appelliere er in erster Linie an den „Selbstrespekt“ der Jungen und Mädchen.

Auch an der Hohenbergschule, so ließ uns die Rektorin Rita Kuchler ausrichten, gebe es keine schriftliche Kleiderordnung. Und bisher auch „keine Notwendigkeit“ dafür.

Die Hosen hängen wieder höher

Die Zeiten – und der Modegeschmack – ändern sich ohnehin. Noch vor ein, zwei Jahren waren Baggy-Jeans angesagt. Da hingen die Hosenbünde weit unter der Taille, man hatte fast den Eindruck: sogar unter dem Gesäß. „So tief, das war manchmal schwer auszuhalten“, erinnert sich Kreuzerfeld-Rektor Schänzlin. „Das ist jetzt gar kein Thema mehr.“ Auch sein CJL-Kollege Thomas Müller hat beobachtet: „Inzwischen sitzen die Hosen wieder fast perfekt.“

Den größten Einfluss, darüber ist sich auch Schänzlin im Klaren, haben ohnehin die Gleichaltrigen. Beispielsweise wenn ein Jugendlicher eines Tages den gewohnten Schlabberlook ablegt und endlich mal mit einer schicken Hose in die Schule kommt. Und wenn dann die Mädchen staunen: „Du siehst ja heute richtig gut aus.“ Das dürfte nachhaltiger wirken als die ausgefeilteste schriftliche Schulordnung.