Was schafft eigentlich ...

Joachim Möhrle?

Düsseldorf/Stuttgart Schachspielen, Radfahren, Geschichte. Der ehemalige Handwerkspräsident des Landes, Joachim Möhrle (69), lässt seinen Ruhestand mit Partnerin in Düsseldorf gemütlich angehen. Seine Maultaschen aber ordert er im Schwarzwald.

15.12.2017

Von TEXT: Hannes Kuhnert|FOTO: Archivbild

Joachim Möhrle?

Joachim Möhrle ist für unser Land ein Glücksfall“. Das sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, als er im Juli 2015 an den 67-jährigen Möhrle das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens überreichte. Möhrle nahm damals seinen Abschied als Baden-Württembergs Landes-Handwerkspräsident und als Vorsitzender des bundesdeutschen Handwerkstags.

Heute lebt der Glücksfall des Landes Baden-Württemberg in einem anderen Land, in Nordrhein-Westfalen und in Düsseldorf. Er lebt gern dort, denkt auch ganz gern an seine Zeit im „Ländle“ zurück, pflegt seine Kontakte bis in die politische Landesspitze und bezieht seine Maultaschen aus dem Schwarzwald. Dort hatte seine Karriere begonnen, dort hatte sie geendet, auch wenn er in den letzten Berufsjahren die meiste Zeit im politischen Berlin verbrachte. Als Repräsentant des Mittelstandes und des Handwerks, als Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Handwerkkammertags oder im Zentralverband des Deutschen Handwerks. „Wenn du raus bist, bist du raus“, sagt Möhrle heute überzeugt, „dann sollen die Jungen ihr Ding machen“. Also entledigte er sich mit dem Ruhestand aller seiner Ehrenämter, von denen es doch einige gab, sogar bis in den Rundfunkrat. Er strebt auch keine neuen Posten mehr an, sieht man mal vom Beisitz in der CDU-Mittelstandsvereinigung ab. „Der Ruhestand, das ist ein Einschnitt, da muss man mit sich kämpfen, muss sich neue Dinge suchen“, sagt er über den Abschied aus dem Berufsleben, das er sehr geliebt hat. Dazu bedürfe es einer guten Partnerschaft, guter Freunde und bestimmter Interessen.

Guter Partnerschaft und gute Freunde? Joachim Möhrle lebt mit Marion Waterkott zusammen, freut sich über einen bunten und aktiven Freundeskreis in Düsseldorf und Umgebung, der seinen schwäbisch-knitzen, hintergründigen Humor zu schätzen weiß. Bestimmte Interessen? Möhrle liest intensiv Zeitungen und informiert sich mithilfe der „Landesschau“, hat sich ein Schachprogramm auf seinen Computer geladen, schwingt sich täglich für mindestens eine Stunde aufs Rad.

„Lang genug nach dem
Terminkalender gelebt“

Was er nicht geschafft hat, war sein geplantes Studium der Geschichte an der Uni Düsseldorf. Schon nach dem Studium der Vorlesungspläne war ihm die Lust daran vergangen: „Vorlesungen um 8.30 oder 17.40 Uhr? Nee, ich habe lang genug nach dem Terminkalender gelebt“. Dafür türmen sich jetzt auf Nachttisch und Schreibtisch Geschichtsbücher aller Art. Zurzeit sind Europa und die Wiedervereinigung dran, parallel Europa aus der Sicht des französischen Mittelalters. Mit der Geschichte hält es Möhrle wie mit seinem Beruf. „Mich interessieren nicht einzelne Epochen oder Themen, sondern immer die ganze Geschichte“. Das Interesse an Geschichte hatte ihm schon in der Grundschule in Freudenstadt Lehrer Karl Knorpp eingeimpft.

Dort in Freudenstadt im Schwarzwald hat Möhrle das Licht der Welt erblickt. Die Eltern betrieben ein Mercedes-Autohaus. Nach Banklehre und Studium der Wirtschaftswissenschaften baute der junge Joachim mit Bruder Kurt das Autohaus auf und aus, war aktiver Wasserballer, 24 Jahre CDU-Gemeinderat, führte als Vorsitzender des TSV den Sportverein innovativ über die 1000-Mitglieder-Grenze und liebäugelte mit der großen Politik. Da aber standen zwei Probleme im Weg: Die übliche Partei-Ochsentour war ihm zu spießig und gegen verdiente Parteigefährten wollte er nicht kandidieren.

Als überzeugter Mittelständler lockte ihn das Handwerk – oder war es andersherum? Auf jeden Fall war Joachim Möhrle Mitte der Neunziger als erster Nichthandwerker des Landes in der Handwerksammer Reutlingen Handwerksmeister des Kreises Freudenstadt. Und damit begann seine Karriere als Funktionär des Handwerks: Mitglied der Vollversammlung der Kammer Reutlingen, Landeshandwerksmeister, im Präsidium des deutschen Handwerker-Zentralverbandes und, und, und. Möhrle stand über zehn Jahre als Galionsfigur des Handwerks an der Spitze, engagierte sich leidenschaftlich für die duale Ausbildung und die Gemeinschaftsschule, kämpfte für die Energiewende, setzte sich kreativ und ausdauernd dafür ein, den Fachkräftemangel zu lindern. Für ihn war und ist das Handwerk mit seinen 750000 Beschäftigten eine wichtige Säule des Mittelstandes und dieser eine tragende Säule der Wirtschaft. Ohne Handwerk, so ist Möhrle überzeugt, gäbe es keinen Mittelstand.

„Das war in erster Linie ein hochpolitisches Amt und das hat mir zehn Jahre viel Freude gemacht“. Dabei eckte er bei seinen Parteifreunden immer mal wieder an. Nicht zuletzt, weil diese nicht so recht akzeptieren wollten, dass es der gesellige Schwabe auch mit den Grünen und den Sozialdemokraten kann, dort gute Freunde hat. Das kommt nicht von ungefähr. Schon immer, schon als junger Gemeinderat, ließ sich Möhrle von der Vernunft, von der Sache leiten. Die gingen ihm über Parteidisziplin: „Ich wollte immer unabhängig sein“. Damit ist er nicht schlecht gefahren. Als unabhängiger Spitzenfunktionär konnte er für das Handwerk viel mehr erreichen als es einem Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Calw-Freudenstadt möglich gewesen wäre. Und so sah es wohl auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), als er bei der Verleihung des Verdienstordens sagte: „Die Stimme von Joachim Möhrle ist eine Stimme der Vernunft (…). Herr Möhrle wollte mit guten Argumenten und nicht durch lautes Getöse überzeugen. Er war stets ein kompetenter und kooperativer Ansprechpartner und hat sich immer in offener, fairer und konstruktiver Weise in die Landespolitik eingebracht.“

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Erstellt:
15.12.2017, 06:12 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 35sec
zuletzt aktualisiert: 15.12.2017, 06:12 Uhr

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