Olympia

Japan bereit zur Verschiebung

Immer mehr Verbände und Athleten fordern eine zeitliche Verlegung der Sommerspiele. Doch IOC-Chef Thomas Bach hält eine Entscheidung nach wie vor zu früh.

24.03.2020

Von DPA

Zögert mit der Entscheidung: IOC-Präsident Thomas Bach. Foto: Jean-Christophe Bott/dpa

Zögert mit der Entscheidung: IOC-Präsident Thomas Bach. Foto: Jean-Christophe Bott/dpa

Japan hat auf die Wucht der weltweiten Kritik gegen eine planmäßige Ausrichtung der Olympischen Spiele in Tokio reagiert. „Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen“, sagte Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees von Tokio, am Montag. Auch Premierminister Shinzo Abe spricht angesichts der Ausmaße der Coronavirus-Pandemie von einer Verschiebung.

„Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat“, sagte Abe. Die Entscheidung aber liege beim Internationale Olympische Komitee, das sich dafür eine Frist von vier Wochen gesetzt hat.

In einer persönlichen E-Mail an die Athleten warb IOC-Präsident Thomas Bach erneut um Verständnis dafür, dass eine endgültige Entscheidung über einen Termin für die Tokio-Spiele – eine Verschiebung in den Herbst, ins nächste Jahr oder bis 2021 – jetzt noch verfrüht wäre. „Ich weiß, dass diese beispiellose Situation viele Ihrer Fragen offenlässt“, schrieb der 66-jährige Deutsche. „Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen.“

Der Gastgeber signalisierte zwar die Bereitschaft, vom Tokio-Termin abzurücken, nicht aber vom Fackellauf: Der soll Donnerstag in Fukushima beginnen.

Die Verschiebung von Olympia und Paralympics würde Japan teuer zu stehen kommen. Nach Meinung von Experten wäre mit Kosten von bis zu 670 Milliarden Yen (rund 5,7 Milliarden Euro) zu rechnen. Eine Absage der Spiele könnte das Land 7,8 Billionen Yen (65 Milliarden Euro) kosten.

Viele Athleten drängen auf eine schnellere Entscheidung und ein Ende der Hängepartie, wie Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler. Vier Wochen seien „ein sehr, sehr langer Zeitraum“, sagte der Jenaer im Morgenmagazin von ARD und ZDF. „Wir arbeiten aktuell daran, dass noch schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden“, sagte der Athletenvertreter im Leichtathletik-Weltverband. World Athletics sei bereit, die für 2021 nach Eugene/USA vergebene WM im Falle der Verlegung der Tokio-Spiele ins nächste Jahr zu verschieben.

Die öffentliche Wahrnehmung des IOC würde ganz entscheidend davon geprägt, wie in den vier Wochen die weiteren Schritte offen kommuniziert und konsequent umgesetzt werden“, sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Da nach den Prognosen der Experten wegen der Coronavirus-Pandemie ein Termin im Herbst keine sichere Alternative darstellen würde, „präferieren wir eine Verlegung mindestens ins nächste Jahr“, sagte der DOSB-Chef.

Martin Engelhardt, Mediziner und Präsident der Deutschen Triathlon-Union, hat hingegen Verständnis für die zögerliche Haltung des IOC. „Aus medizinisch-fachlicher Sicht kann man heute nicht sagen, dass Sport im Juli nicht möglich sein wird“, erklärte Engelhardt. Dagegen meinte Thomas Kurschilgen, Leistungssportdirektor der deutschen Schwimmer: „Vieles spricht für eine Verschiebung des Termins.“

Der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, Bob Hanning, hält eine Ausrichtung der Spiele angesichts der Ausbreitung des Coronavirus für abwegig: „In Zeiten, wo Ausgangssperren verschärft werden, überhaupt darüber nachzudenken, ist fast schon amüsant.“ Ruder-Präsident Siegfried Kaidel plädiert für eine Verlegung der Spiele um maximal ein Jahr. „Ein neuer Termin erst in zwei Jahren wäre nicht akzeptabel. Das wären dann ganz neue Olympische Spiele, weil viele der älteren Athleten nicht mehr dabei wären“, sagte er.

Kanada sagt Teilnahme ab

Auch Tennisspielerin Andrea Petkovic hält die Suche nach einem neuen Olympia-Termin als unausweichlich. „Ich sehe nicht, dass da jetzt Millionen von Menschen hin stürmen und sich auf kleinstem und engstem Raum zusammengepfercht Sport angucken“, sagte die Weltranglisten-87. in einem Jung&Live-Podcast.

Die Chancengleichheit bei Tokio-Spielen noch in diesem Jahr spielt für Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann keine Rolle. „Im Zweifel würde ich als Athlet wohl lieber mit Trainingsrückstand als gar nicht antreten“, sagte das Mitglied in der Athletenkommission des IOC.

Kanada will wegen der Corona-Epidemie keine Sportler nach Tokio entsenden, wenn die Olympischen Spiele wie bisher geplant im Sommer stattfinden. „Nichts ist wichtiger als die Gesundheit und Sicherheit unserer Athleten und der Weltgemeinschaft“, begründeten das kanadische Olympische Komitee und das Paralympische Komitee den am Sonntag bekannt gewordenen Beschluss. Australien hat seine Sportler auf Spiele im Jahr 2021 eingeschworen. dpa

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Erstellt:
24.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 04sec
zuletzt aktualisiert: 24.03.2020, 06:00 Uhr

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