Bolt-Show, letzter Teil

Jamaikas Sprint-Superstar will mit Weltrekord und als Entertainer glänzen

Die russischen Leichtathleten sind von Olympia verbannt. Die Stimmung soll Sprint-Star (und Komiker) Usain Bolt aufhellen. Zunächst im 100-Meter-Rennen.

13.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Ungewöhnliche Pose: Usain Bolt probierte sich bei der Teampräsentation in Rio als Samba-Tänzer. Foto: dpa

Ungewöhnliche Pose: Usain Bolt probierte sich bei der Teampräsentation in Rio als Samba-Tänzer. Foto: dpa

Rio de Janeiro. Große Show, letzter Teil. „Ich bin Sprinter und Entertainer“, sagt Usain Bolt über Usain Bolt. Doch seine dritten und erklärtermaßen letzten Olympischen Spiele sollen mehr werden als nur eine Spaß-Veranstaltung, bei der der Jamaikaner mit seinem Augenrollen, seinen Grimassen und skurrilen Bewegungen die Zuschauer im Olympiastadion unterhält. Wenn er am Schlusstag der Sommerspiele, dem 21. August, seinen 30. Geburtstag feiert, dann will Bolt von der ganz großen Bühne als lebende Legende abtreten: mit dem dritten „Gold-Triple“ nach 2008 und 2012. Dazu muss er nach den 100 Metern zum Auftakt in der Nacht zu Montag deutscher Zeit (3.25 Uhr MESZ/ZDF) auch über die 200 Meter und in der Staffel triumphieren.

Allerdings ist schwer die Frage, was er nach einer Saison mit Oberschenkelproblemen, später Olympia-Qualifikation und ohne richtig aussagekräftigen Zeiten wirklich drauf hat. Und: Ob tatsächlich mehr möglich ist als die vollmundigen Sprüche, die er in Rio bisher von sich gegeben hat. „Ich will wieder die Grenzen verschieben. Ich bin bereit, Großes zu leisten“, sagte er. Und: „Ich traue mir einen Weltrekord über 200 Meter zu. Mein Körper sagt: Ja, das geht.“

Seinen Fabel-Zeiten bei den Weltmeisterschaften 2009 im Berliner Olympiastadion – 19,19 Sekunden über die 200 Meter und 9,58 über die 100 Meter – ist er jedoch nie mehr ganz nahegekommen.

Auch Bolt ist in die Jahre gekommen. Und wird sich vor allem auf den 100 Metern dem mehrfach des Dopings überführten Justin Gatlin aus den USA erwehren müssen. Der würde den angepeilten Dreifachsieg des Jamaikaners am liebsten gleich am dritten Leichtathletik-Abend vereiteln. Bei den Weltmeisterschaften vergangenes Jahr in Peking war er an der großen Aufgabe nur knapp gescheitert. Problem: Gatlin ist jetzt auch schon 34 Jahre alt.

13 Jahre jünger dagegen ist Gatlins Landsmann Trayvon Bromell, der Hallenweltmeister und WM-Dritte von Peking. Bolts Landsmann Yohan Blake ist 26 und auch schon 9,69 gelaufen. In London war er es, der hinter dem Superstar und Millionenverdiener Silber über 100 und 200 Meter holte. Was Doping-Tests angeht, haben sich die Jamaikaner auch seitdem im Training nie besonders hervorgetan. Bolt war er offiziell stets ein Saubermann. Je mehr der Leichtathletik-Weltverband IAAF zuletzt durch Doping-Skandale und eine korrupte Führung in die tiefste Krise seiner Geschichte geraten, desto weniger aussagekräftig sind solche Attribute. Vielleicht gelingt jetzt ein Neustart. Dass die russischen Athleten nicht dabei sind, ist sicher ein erstes Anzeichen. Bis es soweit war, musste allerdings auch beim IAAF-Präsidenten Sebastian Coe viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Jetzt kann die Show weitergehen. Ohne die Russen, aber mit Bolt und Co.

Dass in den „Top Ten“ der Bestzeiten hinter ihm lauter Sprinter stehen, die bereits ein- oder mehrmals auffällig geworden sind, zeigt den ganz offensichtlichen Umfang des Problems im Sprint-Bereich: Yohan Blake (9,69/drei Monate Sperre), der Amerikaner Tyson Gay (9,69/ein Jahr), der Jamaikaner Asafa Powell (9,72/sechs Monate), Gatlin (9,74/zwei Sperren – zusammen mehr als vier Jahre), Gatlins Landsmann Tim Montgomery (9,78/zwei Jahre), der Jamaikaner Nesta Carter (9,78/zwei Jahre), US-Star Maurice Greene (9,78/vor Gericht belastet – keine Sperre), der Kanadier Ben Johnson (9,79/zwei Sperren) und schließlich der Jamaikaner Steve Mullings (9,80/lebenslang gesperrt).

Usain Bolt will „für die Menschen so unvergesslich werden, wie es Muhammad Ali ist“. Das geht nur, wenn er sich auch weiterhin absolut nichts zuschulden kommen lässt. Nachsagen wird man dem Weltrekordler trotzdem eine Menge. Denn wer würde ernstlich glauben wollen, was Bolts Vater Wellesley nach den Olympiasiegen 2008 in Peking der staunenden Sportwelt versichert hatte? Es sei die Kraft der Yamswurzel, die seinen Sohn so schnell mache.