Feinstaub

Ist Unterjesingen dreckiger als Peking?

Ein Experte sieht den Tübinger Teilort vor allem durch Holzöfen schwer belastet. Doch die Messung ist umstritten.

09.03.2017

Von Gernot Stegert

Müssen die Menschen in Unterjesingen bald wie die Einwohner chinesischer Megastädte mit Atemschutzmaske herumlaufen? Das legt ein Fernsehbericht von Dienstagabend nahe. Im ARD-Magazin „Report“ ging es um die Feinstaubbelastung durch Holzöfen und diente das „idyllisch zwischen Weinbergen und Wald“ gelegene Dorf bei Tübingen als Exempel. Axel Friedrich, früher Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, ging am vergangenen Freitag mit einem Messgerät in der Hand durch den Tübinger Teilort und kam zu dem Ergebnis: „Das sind Werte, die ich nicht mal in Peking gemessen habe.“

Eine Sprecherin erklärte im Filmbeitrag: „Die Ursache: Hier hat fast jeder Holz und heizt damit auch.“ Dann wird die Messstation der Landesanstalt für Umwelt in der Jesinger Hauptstraße gezeigt und gesagt, dass „bis zu 37 Prozent“ der Feinstaubbelastung durch Holzfeuerung entstehe. Genau darum ging es in dem Beitrag. Kernaussage: Auch neue Öfen blasen nicht weniger Schadstoffe in die Luft als alte. Grund seien ungenaue Messungen und Tricksereien bei der Zulassung von Öfen. Der Beitrag spricht in Analogie zum „Dieselgate“ vom „Woodgate“.

Doch stimmen die Vorwürfe? Ist Unterjesingen wirklich so verpestet? Bernd Schott, Umweltbeauftragter der Stadt Tübingen, sagte auf TAGBLATT-Anfrage: „Mich wundert die Aussage. Ich kann sie nicht nachvollziehen.“ Friedrich hat an einem Tag 24800 Feinstaubpartikel auf einem Kubikzentimeter gemessen. Die übliche Maßeinheit sind jedoch nicht Mengen, sondern Gewichte, nämlich Mikrogramm je Kubikmeter. In dieser Größe sind auch die internationalen Grenzwerte: EU-weit dürfen im Jahresmittel nicht mehr als 40 Mikrogramm Feinstäube (PM10) in der Luft liegen. Hier lag Peking laut Umweltbundesamt in den vergangenen Jahren zwischen 125 und 500 Mikrogramm im Jahresmittel.

Zudem darf der EU-Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm höchstens 35 mal im Jahr überschritten werden. Peking lag immer drüber. Unterjesingen hat die Marke zuletzt 2010 mit 51 Tagen gerissen. Seitdem wirke der Aktionsplan, so Schott. Dazu gehöre Tempo 30 im Ort, die Pförtnerampel, aber auch eine mehrfach wiederholte Kampagne zum richtigen Heizen mit Holz. Denn der meiste Feinstaub entstehe durch falsches Anzünden.

Auch Friedrichs Ofen-Anteil von bis zu 37 Prozent am Feinstaub kann Schott nicht nachvollziehen. Die ihm vorliegenden Daten stammen von 2008/2009 und weisen Werte mit großen Messschwankungen zwischen 18 und 30 Prozent aus.

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Erstellt:
09.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 08sec
zuletzt aktualisiert: 09.03.2017, 01:00 Uhr

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