Alle Sterne werden auf die gleiche Weise geboren

Internationales Astronomenteam entdeckte erstmals den Jet eines massereichen Sterns

Dass man die langgestreckte Gasströmung, die bei der Geburt eines massereichen Sterns entsteht, jemals in der Wirklichkeit sehen würde, das hielten Astronomen bislang für unmöglich. Richtig schwere Sterne entstehen nämlich nur in Weltraum-Gegenden, in denen sehr viel Materie unterwegs ist – so viel Materie, dass sie den Geburtsort normalerweise komplett in Wolken hüllt.

26.01.2018

Von Ulrich Janßen

36 Lichtjahre lang ist der Jet in unserer Nachbargalaxie.Bild: Universität

36 Lichtjahre lang ist der Jet in unserer Nachbargalaxie.Bild: Universität

Doch dann kamen Anna McLeod von der neuseeländischen University of Canterbury und Rolf Kuiper von der Universität Tübingen, und plötzlich wurde das Unmögliche Wirklichkeit. In der mit „nur“ 15 Milliarden Sternen eher klein ausgefallenen Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbar-Galaxie unserer Milchstraße, entdeckte Anna McLeod eine Gasströmung, die, wie Kuiper mit seiner Tübinger Forschungsgruppe herausfand, tatsächlich von einem entstehenden Stern verursacht wurde. „Das zu sehen“, erzählte Kuiper dem TAGBLATT, „war einfach riesig.“

Der Astronom leitet am Tübinger Institut für Astronomie und Astrophysik eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, die sich mit der Entstehung besonders schwerer Sterne beschäftigt. Die Forscher hatten errechnet, dass alle Sterne in der Mitte einer rotierenden Scheibe entstehen, die man sich so ähnlich vorstellen kann wie die Ringe des Saturns. Die Scheibe transportiert einerseits Materie ins Innere, andererseits verliert sie auch Materie und zwar in einem langen Strahl, einem sogenannten „Jet“, der Gas aus der Scheibe weit hinaus in den Weltraum befördert.

36 Lichtjahre lang ist der Strahl, den die Wissenschaftler mit Hilfe des chilenischen „Very Large Telescope“ jetzt in erstaunlich guter Auflösung beobachten konnten. Die Entdeckung, die prompt von der wichtigsten aller Fachzeitschriften, dem Magazin „Nature“, veröffentlicht wurde, ist der langersehnte Beweis für die These, dass massereiche Sterne genauso entstehen wie unsere vergleichsweise leichte Sonne. Kuiper:
„Alle Sterntypen durchlaufen unabhängig von ihrer Masse in ihrer Entstehungsphase die gleichen Prozesse.“

Dass ausgerechnet in der Großen Magellanschen Wolke ein „Jet“ beobachtet werden konnte, war großes Glück, sagt Kuiper. „Gezielt suchen kann man nach solchen Ereignissen nicht.“ Voraussetzung für die Entdeckung war, dass in der Nachbargalaxie grundsätzlich nicht so viele schwere chemische Elemente herumschweben wie in der Milchstraße und dass außerdem ein älterer massereicher Stern in der Nähe des Neulings die Geburtswolke mit seiner Strahlung einfach weggeblasen hat. „Dadurch wurde der Jet sichtbar.“

Der Stern, der den langen Jet ausstößt, hat ungefähr die zwölffache Masse der Sonne. Als besonders massereich werden Sterne bezeichnet, die mindestens die achtfache Masse der Sonne haben. Es war lange Zeit ein Rätsel, wie es überhaupt möglich ist, dass sich im Weltraum derart viel Materie zusammenfindet.

Kuipers Team vertritt die These, dass die physikalischen Bedingungen, die das ermöglichen, für Sterne jeglicher Masse gelten. Auch die ersten Sterne des Universum sind nach Kuipers Auffassung in der Mitte einer Scheibe entstanden. Die Entdeckung des Strahls, an der außer Tübingen und der neuseeeländischen Canterbury University auch die University of Michigan und das britische Royal Observatory in Edinburg beteiligt waren, stützt Kuipers These.

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Erstellt:
26.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 26.01.2018, 01:00 Uhr

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Wolfgang M. Wettlaufer 26.01.201802:46 Uhr

Im Bild zu erkennen sind - am Pfeil unten deutlich - die v-förmigen Schockfronten, die die im Jet hochbeschleunigten Gasströme beim Aufprall auf das dünne Gas des umgebenden interstellaren Mediums erzeugen. Bereiche in denen diese von der Kollision stark erhitzten Gase aufleuchten, werden "Herbig-Haro-Objekte" genannt (HH-Objekte). Sie sind von anderen extrem jungen "Protosternen" seit langem bekannt, strömen von deren Polen ab - senkrecht zu den staubhaltigen Gasscheiben der Äquatorebene also.

Angenommen wird, dass die gerade gebildeten Sterne über diese Jets einen für weitere Kontraktion hinderlichen Betrag an Drehimpuls abführen, welcher beim Zusammenziehen die Winkelgeschwindigkeit der Rotation fatal vergrößern würde (Pirouetten-Effekt): die Protosterne könnten sich sonst nicht derart verdichten, dass in ihrem Innern die Zündung der Kernfusion möglich würde, welche erst bei Aufheizung zu etwa 5 Millionen Grad einsetzt.

In die Abbildung ungünstig eingebracht ist der weiße Pfeil; er verdeckt den dort ggf. detektierbaren Jet. (Die kleinen Pfeile weisen wohl auf die HH-Schockfronten hin) Von nicht erwarteten Dimensionen ist mit 36 Lichtjahren die Ausdehnung dieses Jets. Ob dies - sowie der Schluss auf einen recht massigen Protostern, als ein Novum - der Grund für die rasche Publikation in NATURE gewesen ist?

Das "chilenische" Very Large Telescope ist übrigens ein europäisches: das "VLT" der ESO nämlich, bestehend aus vier Teleskopen mit jeweils 8,10 Meter messenden Spiegeln auf dem Mount Paranal in Chile; das erste wurde 1999 in Betrieb genommen.

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