Pandemie

Intensivmediziner fordern harten Lockdown

In den Kliniken steigen die Covid-19-Patientenzahlen. Es sind immer mehr Jüngere betroffen, die Behandlungszeiten werden länger. Spahn warnt vor Überlastung des Gesundheitssystems.

10.04.2021

Von HAJO ZENKER

Ein Blick in die Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Greifswald. Kliniken befürchten eine baldige Überlastung. Foto: Jens Büttner/dpa

Ein Blick in die Corona-Intensivstation des Universitätsklinikums Greifswald. Kliniken befürchten eine baldige Überlastung. Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin. „Es brennt. Jeder Tag zählt.“ Mit deutlichen Worten beschrieb am Freitag der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, die Lage in den Kliniken. Es gebe einen dramatischen Anstieg bei den Patientenzahlen auf den Intensivstationen. Wie die Entwicklung verlaufen ist, zeigen die Divi-Zahlen: Gab es am 3. Januar noch 5745 Covid-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen, waren es am 13. März lediglich noch 2713 – am Freitag lag die Zahl bereits wieder bei 4515. Ende April, so Marx, seien bereits mehr als 5000 zu erwarten.

Die Intensivmediziner fordern deshalb einen harten Lockdown für zwei bis drei Wochen. Es gehe vor allem darum, mehr Zeit für die Impfungen zu gewinnen. „Wir sind auf der Zielgeraden, dürfen die Menschen aber jetzt nicht noch auf den letzten Metern gefährden.“

Die Intensivmediziner warnen davor, wegen der bereits erfolgten Impfung der besonders Alten die Covid-Folgen zu unterschätzen. Bundesweit sterbe bei den unter 50-Jährigen jeder fünfte schwerkranke Covid-Intensivpatient. Bei den Älteren sei es im Schnitt jeder zweite. Es gebe mehr schwere Verläufe mit Multiorganversagen und Sekundärinfektionen. Das sei wahrscheinlich auf die dominierende englische Mutation B.1.1.7 zurückzuführen. Jeder vierte Corona-Intensivpatient müsse sechs Wochen auf Station behandelt werden.

Die Einschätzung der Mediziner bestätigte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Patientenzahl steige „viel zu schnell“. Er warnte eindringlich vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und sprach sich für einen harten Lockdown aus. Die laufende dritte Welle müsse nun unbedingt und schnell gebrochen werden. Die Zahl der Infektionen solle durch die Reduzierung von Kontakten und Mobilität dringend und rasch gesenkt werden, „wenn nötig auch durch nächtliche Ausgangsbeschränkungen“. Alle notwendigen Maßnahmen seien dabei prinzipiell bereits zwischen Bund und Ländern vereinbart. Sie müssten auch umgesetzt werden.

Er frage sich, ob einige Entscheidungsträger die Grenzen die Gesundheitssystems austesten wollten. „Wollen wir wirklich sehen, ob auch 10?000?Intensivpatienten zu bewältigen sind?“ Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, warnte eindringlich vor einer Überlastung der Krankenhäuser. Die Lage dort sei inzwischen „sehr, sehr ernst“. Die Intensivstationen füllten sich „rasant“, während viele Betten noch mit Patienten aus der zweiten Corona-Welle belegt seien. Es müsse endlich reagiert werden: „Jeden Tag, den wir nicht handeln, verlieren wir Menschenleben.“