Zeit-Zeugen
Ins gleiche Horn blasen
Im Oktober 1969 erschien Paul Horn auf dem Gewerbeamt der Gemeinde Gomaringen und meldete die Gründung eines neuen Betriebes zur „Herstellung von Hartmetallwerkzeugen“ an. Sein Sohn Lothar Horn ging damals noch zur Schule, es war kurz vor seinem 12. Geburtstag. Das Büro war gleichzeitig sein Kinderzimmer.
Einer der wenigen Zeitzeugen aus den Anfangsjahren des Unternehmens ist Rudolf Nagel, der 1971 bei Horn anfing. Anfangs betrieb die Firma ausschließlich Lohnfertigung. Doch 1972 kam die erste Eigenentwicklung auf den Markt: die Wendeschneidplatte Typ 312. Das eigene Produktportfolio war geboren. „Ich erinnere mich noch, wie ich vor Aufregung zitterte, als ein bekannter Traditionshersteller von Elektrowerkzeugen aus Schwäbisch Gmünd auf einen Schlag 100 Wendeschneidplatten bestellte. Das war ein absoluter Großauftrag. Herr Horn reagierte euphorisch: ´Herr Nagel, das ist der Anfang und bald werden Sie sich vor Aufträgen kaum mehr retten können.` Ich war skeptisch, aber rückblickend gestehe ich gerne: Paul Horn hatte recht“, so Rudolf Nagel. So kam quasi mit der Wendeschneidplatte die Wende und bald wurden die großen deutschen Automobilhersteller aufmerksam auf das kleine, schwäbische Unternehmen. Allen voran avancierte Daimler-Benz in den 1970er-Jahren zum wichtigsten Kunden des Unternehmens. Der wirtschaftliche Erfolg, den Paul Horn mit seiner Firma bereits im ersten Jahrzehnt nach der Gründung verzeichnete, stand im sichtbaren Gegensatz zur Schlichtheit der Geschäftsräume. Hinzu kam noch, dass die „Verwaltung“ im Wohnhaus der Familie Horn in Waiblingen mehr als 60 Kilometer von der „Fertigung“ in der Garage in Gomaringen entfernt war. So kam es dann auch, dass die Firma am Anfang sozusagen aus dem Kinderzimmer von Lothar Horn heraus geführt wurde. Diese Situation war nur deshalb erträglich, da Paul Horn viele Kundenbesuche machte. Eine Verbesserung ergab sich allerdings, als die Familie nach Kressbach zog. Dann wurden aus sechs Quadratmetern Bürofläche 60, was auch dringend nötig war. Die Hartnäckigkeit in geschäftlichen Dingen verband sich bei Paul Horn mit Menschlichkeit und Nähe zur Belegschaft. Er zeigte bei seinen häufigen Rundgängen durch den Betrieb echtes Interesse für die Sorgen und Nöte seiner Leute und war bereit, im Einzelfall auch unbürokratisch zu helfen. Sein soziales Unternehmertum und nicht zuletzt seine Kommunikationsstärke haben über die Jahre das gute Verhältnis zu seiner Belegschaft wachsen lassen.
2009 machte jedoch die weltweite Wirtschaftskrise auch vor Tübingen nicht halt und so traf es Horn mit einem Umsatz- und Auftragsrückgang von rund 37 Prozent zum Vorjahr hart. In dieser schwierigen Zeit entschied sich Horn, den schon länger geplanten Greenline-Prozess einzuführen. Damit garantiert das Unternehmen dem Kunden, geringe Stückzahlen eines bestimmten Sonderwerkzeug binnen fünf Tagen nach Zeichnungsfreigabe auszuliefern. So hatte Horn ein Ass im Ärmel, das dem Vertrieb während der Krise half, wichtige Aufträge zu sichern. Seitdem befindet sich das Unternehmen im Aufwärtstrend. Die weiteren Expansionen nach China, Schweden, Mexiko und Russland sowie der Ausbau des Standorts Tübingen sind Indiz dafür. Erst 2016 hat das Unternehmen seine Produktionsflächen um 12 000 Quadratmeter erweitert.
Der 34-jährige Markus Horn, Enkel des Firmengründers und Sohn von Lothar Horn, trat Anfang 2017 ins Unternehmen ein. Mittlerweile verantwortet er neben der IT auch die Themen Vertrieb und Verwaltung und ist seit 2018 Geschäftsführer. Wie sein Vater, sammelte auch er zunächst Erfahrung außerhalb des eigenen Unternehmens. Auch das große Thema Digitalisierung ist in seinem Verantwortungsbereich verankert. „Wir realisieren ein Projekt nach dem anderen, immer mit dem großen Ziel vor Augen, die gesamte Prozesskette vom Kunden über die Produktion bis zurück zum Kunden digital abbilden zu können. Wie in einem Puzzle wird so Stück für Stück ein Bild einer digitalen Fabrik entstehen.“ Auch er möchte an den bisherigen Erfolgsfaktoren festhalten: der hohen Fertigungstiefe, der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern, dem Fokus auf technologischer Innovation sowie dem Bekenntnis zu weltweitem Wachstum. „Ich bin überzeugt, dass die Erfolgsgeschichte des Unternehmens unter der Leitung meines Sohnes Markus weitergeht – mit gleichen Grundwerten, aber auch mit neuen Ansätzen“, so Lothar Horn.
Paul Horn HmbH
Mit fast 1000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 197 Millionen 2018 ist die Paul Horn GmbH heute der größte industrielle Arbeitgeber in Tübingen. Weltweit arbeiten über 1500 Menschen in der HORN-Gruppe. Doch wie bei so manchen berühmten Erfolgsgeschichten begann auch die Geschichte von HORN ganz bescheiden in einer Garage.