Handel

„Innenstädte geraten unter Druck“

Der Planungschef der Region warnt vor den Folgen des Richterspruchs zum Breuningerland in Sindelfingen. Der Schutz des Angebots in den Zentren wird damit schwieriger.

17.11.2017

Von DANIEL GRUPP

Regionalplaner Thomas Kiwitt befürchtet negative Folgen für die Mittelzentren durch das Urteil zum Breuningerland. Foto: Ferdinando Iannone

Regionalplaner Thomas Kiwitt befürchtet negative Folgen für die Mittelzentren durch das Urteil zum Breuningerland. Foto: Ferdinando Iannone

Stuttgart. Als Gerichtsentscheidung von „enormer Tragweite“ bewertet Thomas Kiwitt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zur Erweiterung des Einkaufszentrums Breuningerland in Sindelfingen. Der Leitende Technische Direktor des Verbands Region Stuttgart (VRS) befürchtet, dass eine Entwicklung in Gang gesetzt werden könnte, die die Vielfalt der Zentren, vor allem von Mittelstädten, weiter reduziert. Stuttgart, das er in Konkurrenz zu München und Frankfurt sieht, hält er für weniger stark betroffen.

Den Regionalplaner stört vor allem, dass das in Mannheim ansässige oberste Verwaltungsgericht des Landes den Weg zur Baugenehmigung über Paragraf 34 des Baugesetzbuchs frei gemacht hat. Seiner Ansicht nach werden damit die Beteiligungsrechte der Nachbarkommunen und anderer Betroffener beeinträchtigt: „Immer, wenn sich eine Gemeinde mit einem Investor verabredet, ungeliebte Regeln auszuhebeln, kann dies zulasten der Nachbargemeinde gehen.“

Paragraf 34 regelt Bauvorhaben, wenn es für freie Flächen keine konkreten Vorgaben gibt. Der Neubau muss sich in so einem Fall in die unmittelbare Umgebung einfügen. „Wenn links ein Haus steht und rechts eines, darf auf dem freien Grundstück dazwischen ein ähnliches Gebäude errichtet werden“, beschreibt Kiwitt die übliche Anwendung des Paragrafen. „Für so große Projekte ist das etwas Besonderes.“ Zwar liege noch keine schriftliche Begründung des VGH-Urteils vor, in einer Einschätzung sieht er aber eine neue Interpretation des 34, die „weitreichende Möglichkeiten bietet, Gebäude zuzulassen“. Bisher hatten die Planer angenommen, dass sich der Paragraf 34 nicht schwerwiegend auf Innenstädte auswirken könne. „Es gab einen Bebauungsplan, der hat auch zum Regionalplan gepasst. Aber der Investor sagte, der Bebauungsplan ist rechtswidrig. So war der Weg offen für 34.“

In Sindelfingen geht es um eine Erweiterung des Breuningerlands um 10?000 auf 42?000 Quadratmeter. Wird dies, wie üblich, in einem Bebauungsplan geregelt, können Betroffene wie Nachbarkommunen oder Anlieger Stellungnahmen abgeben. Auch Behörden wie der Regionalverband können darstellen, ob das Vorhaben zu den planerischen Grundsätzen passt. Die Genehmigungsbehörde muss sich mit den Einwänden befassen und abwägen, ob sie stichhaltig sind. Wer mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, kann sie beim Regierungspräsidium und den Verwaltungsgerichten anfechten.

Über den Regionalplan versucht der VRS die Ansiedlung des großflächigen Handels so zu steuern, dass die Innenstädte nicht ausbluten. Große Einkaufszentren am Stadtrand sind eine Konkurrenz für die City-Lagen, wo Kunden Geschäfte für Textilien, Nahrungsmittel, Backwaren und Schuhe erwarten, erläutert Kiwitt: „Innenstädte, in denen dieses Sortiment fehlt, werden als eintönig empfunden.“

Stuttgarts besondere Rolle

Dem Regionalverband wird vorgehalten, zwar die Erweiterung des Breuningerlands in Sindelfingen kritisch zu sehen, aber den Bau der Einkaufszentren Milaneo und Gerber in Stuttgart durchgewunken zu haben. Schon der Regionalplan definiere den Standort des Milaneo als Innenstadt, erwidert Kiwitt. „Das ist keine grüne Wiese.“ Und das Gerber sei „ein Stück weit Neustrukturierung der Innenstadt“. Der Planer verweist auf die besondere Rolle der Landeshauptstadt als Oberzentrum. „Stuttgart muss sich zwischen München und dem Rhein-Main-Gebiet bewähren. Die Stadt muss sich mit der Zeil in Frankfurt und dem Marienplatz in München vergleichen.“

Der Planer rückt nach der VGH-Entscheidung vor allem die 14 Mittelzentren der Region ins Blickfeld. „Wir haben starke Mittelzentren, müssen aber sehen, dass der ökonomische Druck steigt – zum Beispiel durch den Online-Handel. Wir tun gut daran, die Innenstädte nicht noch mehr unter Druck zu setzen.“

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Erstellt:
17.11.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 17.11.2017, 06:00 Uhr

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