Tübingen · Biotechnologie

Firma Curevac gibt Einblicke: In einem Jahr pandemiebereit

Die Firma Curevac gewährte Einblicke in ihr neues Produktionsgebäude auf der Viehweide. Die Impfstoff-Fabrik soll im April 2024 in Betrieb gegen.

23.02.2023

Von Volker Rekittke

Archivbild: Ulrich Metz

Archivbild: Ulrich Metz

In den letzten Jahren ging es nicht so richtig vorwärts am Bau, doch nun wuseln etliche Handwerker durchs Erdgeschoss. Ein paar Stockwerke höher richten Wissenschaftler in Schutzanzügen modernste Maschinen ein, in denen schon bald Impfstoffe und Medikamente auf mRNA-Basis hergestellt werden – und zwar im industriellem Maßstab mit einer Jahreskapazität von bis zu 160 Millionen Impfdosen.

Grundsteinlegung für das Curevac-Produktionsgebäude war bereits im Oktober 2017. Ursprünglich sollte es 2020 produktionsbereit sein. Doch dann kam die Pandemie, bei Curevac wurde mit Hochdruck die Entwicklung eines (gescheiterten) Impfstoffkandidaten vorangetriebenen. Auch aus der später angepeilten Fertigstellung bis Ende 2022 wurde nichts. Nun also soll das Fertigungsgebäude „am 1. April 2024 produktions- und pandemiebereit“ sein, so Malte Greune vom Curevac-Vorstand bei einem Rundgang am Donnerstag mit dem zum 1. April scheidenden Vorstandsvorsitzenden Franz-Werner Haas sowie Tübingens OB Boris Palmer. Neue Viren könnten ja stets auftauchen, so Greune.

Der Deal mit der Bundesregierung: Curevac und der Pharmakonzern GlaxoSmithKline verpflichten sich in einem Fünf-Jahres-Vertrag, im Fall einer erneuten Pandemie kurzfristig bis zu 80 Millionen Impfstoffdosen im Jahr zur Verfügung zu stellen. Laut Vorstandsmitglied Greune hätte die neue Fabrik sogar die Kapazität für die doppelte Menge. Die Bundesregierung zahlt für die Bereitstellung der Produktionskapazitäten bis 2029 jährlich eine Gebühr, über deren Höhe Curevac keine Auskunft gibt.

Das neue Curavec-Produktionsgebäude im Technologiepark soll in einem Jahr „produktions- und pandemiebereit“ sein, so „Chief Operating Officer“ Malte Greune (zweiter von rechts). Von links: der zum 1. April scheidende Curevac-Vorstandsvorsitzende Franz-Werner Haas, Tübingens OB Boris Palmer sowie (rechts) Peter Rose, als „Vice President Commercial Manufacturing“ zuständig für den Multi-Millionen-Bau. Bild: Volker Rekittke

Das neue Curavec-Produktionsgebäude im Technologiepark soll in einem Jahr „produktions- und pandemiebereit“ sein, so „Chief Operating Officer“ Malte Greune (zweiter von rechts). Von links: der zum 1. April scheidende Curevac-Vorstandsvorsitzende Franz-Werner Haas, Tübingens OB Boris Palmer sowie (rechts) Peter Rose, als „Vice President Commercial Manufacturing“ zuständig für den Multi-Millionen-Bau. Bild: Volker Rekittke

Curevac forscht nach dem Flop mit dem ersten Corona-Impfstoffkandidaten derzeit an zwei neuen Vakzinen gegen Covid-19 sowie an zwei Grippeimpfstoffen. Alle vier sind noch in der klinischen Phase I. In diesem Forschungs- und Entwicklungsstadium befinden sich auch der Impfstoffkandidat gegen Tollwut sowie ein Krebsmedikament auf mRNA-Basis. In diesem Jahr, so Greune, würden voraussichtlich zwei weitere „Onkologie-Kandidaten“ in die klinische Phase I kommen.

Da war die Firma schon mal weiter: Firmengründer Ingmar Hoerr berichtete dem TAGBLATT im November 2015 von einem RNA-Medikament gegen Prostatakrebs, das seit Ende 2013 in einer Phase-IIb-Studie an 200 Krebspatienten in acht Ländern – auch am Uniklinikum Tübingen – getestet wurde. In der klinischen Phase II findet sich derzeit laut Unternehmens-Homepage kein mRNA-basierter Impfstoff oder ein Krebsimmuntherapeutikum. Curevac stellt seit 2006 RNA-Krebsmedikamente her – wenn auch bislang in geringen Mengen für vorklinische und klinische Studien.

Bekenntnis zum Standort Tübingen: Noch-Curevac-Chef Franz-Werner Haas vor dem Produktionsgebäude (Jahreskapazität: bis zu 160 Millionen Impfdosen) im Gespräch mit Tübingens OB Boris Palmer; rechts: Curevac-Pressesprecherin Bettina Jödicke-Braas. Bild: Volker Rekittke

Bekenntnis zum Standort Tübingen: Noch-Curevac-Chef Franz-Werner Haas vor dem Produktionsgebäude (Jahreskapazität: bis zu 160 Millionen Impfdosen) im Gespräch mit Tübingens OB Boris Palmer; rechts: Curevac-Pressesprecherin Bettina Jödicke-Braas. Bild: Volker Rekittke

Wenn es nach Markus Bergmann geht, wird sich das bald ändern. Der Geschäftsführer der hundertprozentigen Tochterfirma „CureVac RNA Printer GmbH“ erläutert die Vorteile des RNA-Printers, „ein hochautomatisiertes Gerät“, in dem sehr schnell und äußerst variabel Onkologie-Medikamente hergestellt werden könnten, die einmal im Bereich der individualisierten Krebstherapien eingesetzt werden sollen. „Wir werden sehr stark in den Onkologiebereich investieren“, verspricht Curevac-Chef Haas. Der zusammen mit einer Tesla-Tochter entwickelte RNA-Printer steht im Curevac-Hauptquartier.

Ein weiteres potenzielles Einsatzgebiet, so Bergmann: Die Herstellung von RNA-basierten Medikamenten nicht nur für kleine, sondern auch für größere Gruppen von einigen tausend, etwa bei Patientinnen mit ähnlicher Brustkrebs-Diagnose. „Wir sind offen für Partnerschaften mit Universitäten“, sagt Vorstandsmitglied Greune. Man sei bereits im Gespräch mit Forschungszentren. Jetzt fehle nur noch die Endabnahme des RNA-Printers durch das Regierungspräsidium. Und erfolgreiche Studien.

Am Ende des Rundgangs gab’s jede Menge Lob von OB Palmer: „Für die Stadt ist Curevac weiterhin eine unglaubliche Zukunftshoffnung.“ Der Technologie-Standort auf der Viehweide sei auch nach dem Rückzieher von Bosch bedeutend: „Wenn man etwas Neues macht, gibt’s auch mal Rückschläge. Aber wenn man dranbleibt, geht’s weiter.“ Auch Curevac sei nach dem Impfstoff-Rückschlag drangeblieben: „Beim nächsten Mal wird sicher ein Curevac-Medikament dabei sein.“

1,5 Milliarden eingesammelt

Bei knapp 2 Milliarden Euro liegt der aktuelle Börsenwert von Curevac. Insgesamt sammelte das Unternehmen laut Vorstandschef Franz-Werner Haas bislang rund 1,5 Milliarden Euro von Investoren und Aktionären ein, allein der Bund stieg mit 300 Millionen Euro ein. Und in der jüngsten Finanzierungsrunde spülte die Kapitalaufstockung, also die Ausgabe neuer Aktien, 250 Millionen Euro in die Firmenkasse. 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Curevac, davon arbeiten 80 Prozent am Tübinger Stammsitz – nicht nur im Technologiepark bei der Sternwarte, sondern auch anderswo im Stadtgebiet. Im neuen Produktionsgebäude werden 150 bis 200 Beschäftigte arbeiten. In den vergangenen drei Pandemie-Jahren wurden über 600 neue Mitarbeiter eingestellt.