Angriff auf König Fußball

In der Türkei trifft „Säuberungswelle“ auch die Liga und die Klubs

Die Folgen des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei betreffen weite Teile des alltäglichen Lebens. Der Fußball bildet dabei keine Ausnahme mehr.

05.08.2016

Von DPA

Prominentester Fall: Mario Gomez will künftig nicht mehr im Trikot von Besiktas Istanbul spielen. Foto: dpa

Prominentester Fall: Mario Gomez will künftig nicht mehr im Trikot von Besiktas Istanbul spielen. Foto: dpa

Ankara/Köln. Als am 15. Juli Panzer durch Ankaras und Istanbuls Straßen rollten und Kampfhubschrauber tief über die Städte flogen, ist in der Türkei nichts mehr wie es vorher einmal war. Die Führung um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan leitete nach dem gescheiterten Putschversuch weitreichende sogenannte „Säuberungs“-Maßnahmen ein. Diese erreichten nun auch den türkischen Fußball.

Am vergangenen Dienstag entließ der nationale Fußball-Verband TFF schließlich 94 Funktionäre und Schiedsrichter, weil er es „als notwendig erachtete“. Wie in weniger als drei Wochen, nämlich am 21. August, der Liga-Start in der Süper Lig reibungslos vonstatten gehen soll, ist derzeit offen. TFF-Präsident Yildirim Demirören versicherte zwar, dass es keine Verzögerungen geben werde, aber die Entlassungen sind einschneidend und hinterlassen tiefe Lücken. Am vergangenen Wochenende mussten alle Vorsitzenden und Mitglieder der TFF-Ausschüsse zurücktreten, um sie „nach dem Putschversuch gegen unsere Demokratie“ einer „Sicherheitsprüfung“ zu unterziehen.

Überprüft werden muss, ob und welche Verbindungen sie zur Gülen-Bewegung haben. Fethullah Gülen, ein seit 1999 im US-amerikanischen Exil lebender Prediger, wurde vom türkischen Regime als Drahtzieher für den Aufstand ausgemacht.

Weitere zehn Mitglieder des TFF wurden entlassen, eines davon war für die Sicherheit und Akkreditierungen zuständig, ein anderes für die Betreuung der ersten Liga. Diese akute Planungs-Unsicherheit stellt auch Probleme für die Vereine dar.

Und auf die Transferpolitik der Klubs hat der Aufstand und seine Folgen mittlerweile erhebliche Auswirkungen. Nationalspieler Mario Gomez beispielsweise, der in der vergangenen Saison bei Besiktas Istanbul zum Torschützenkönig avancierte, kündigte wenige Tage nach dem Militärputsch an, „aus politischen Gründen“ nicht zum Meister an den Bosporus zurückkehren zu wollen. Auch sein Mannschaftskollege und ehemaliger Bayern-Spieler José Sosa will nicht mehr in der Süper Lig spielen. „Meine Ehefrau hat Angst, in Istanbul zu leben. Ich habe auch Angst um meine Töchter. Meine Priorität ist meine Familie“, sagte der Argentinier. Besiktas-Präsident Fikret Orman räumte sogar ein: „Spieler, die wir verpflichten wollen, erhalten Anrufe, in denen ihnen gesagt wird: Gehe nicht in die Türkei.“ Auch Max Kruse, der lange mit einem Wechsel an den Bosporus in Verbindung gebracht wurde, entschied sich nun für die sichere Variante und kehrte zu Werder Bremen an die Weser zurück.

Selbst der nun in Istanbul lebende Slowake Martin Skrtel gab zu: „Ich werde nicht lügen, ich habe darüber nachgedacht, ob ich mit meinem Wechsel in die Türkei einen Fehler gemacht habe.“ Anfang Juli war Skrtel vom FC Liverpool zum Top-Klub Fenerbahce Istanbul gewechselt. Es gibt aber auch andere: Weltmeister Lukas Podolski stellt indes sein weiteres Engagement bei Galatasaray Istanbul nicht infrage. Auf Gomez? Weggang angesprochen, sagte er, er müsste „nicht nachmachen, was andere tun“.

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Erstellt:
05.08.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 23sec
zuletzt aktualisiert: 05.08.2016, 06:00 Uhr

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