Manz streicht 174 Stellen

In der Region wird 54 Beschäftigten betriebsbedingt gekündigt

51 Mitarbeiter in Reutlingen und 3 in Tübingen müssen gehen: Der Maschinenbauer begründet den Einschnitt mit der negativen Entwicklung des China-Geschäfts und einem weggebrochenen Großauftrag.

10.12.2015

Von Matthias Reichert

Bedrohliche Schatten: die Manz-Firmenzentrale im gemeinsamen Reutlinger und Kirchentellinsfurter Industriegebiet „Mahden“. Bild: Haas

Bedrohliche Schatten: die Manz-Firmenzentrale im gemeinsamen Reutlinger und Kirchentellinsfurter Industriegebiet „Mahden“. Bild: Haas

Reutlingen. Schöne Bescherung kurz vor Weihnachten: Gestern um 13.30 Uhr wurden an allen Manz-Standorten die Entlassungen verkündet. „Das war keine einfache Entscheidung, aber am Ende unvermeidlich“, sagt Firmengründer Dieter Manz. Weltweit werden 174 Stellen gestrichen, 73 davon in Deutschland. In Reutlingen und der kleinen Tübinger Niederlassung sind das rund 10 Prozent der Belegschaft.

Der Standort Tettnang wird dicht gemacht – dort hatte sich Manz die Halbleiterfirma Kleo mit 20 Beschäftigten einverleibt. Jetzt zieht diese Produktion nach Reutlingen. Hier arbeiten bisher 486 Mitarbeiter, weltweit 2050. Vor einem Jahr waren es nur 1928 – Manz hatte aufgestockt, „weil wir dachten, dass es ein gutes Jahr wird“, so der Firmenchef.

Zunächst hatte die AG bis zu 340 Millionen Euro Jahresumsatz für 2015 erwartet. Doch Ende Oktober war die Prognose – nach Juli – ein weiteres Mal nach unten korrigiert worden: auf 200 bis 210 Millionen Euro. Die Aktie stürzte ab, die AG kündigte ein Restrukturierungsprogramm an, die IG Metall warnte vor Jobabbau (wir haben berichtet).

Der Vorstandsvorsitzende nennt zwei Hauptgründe für den Einbruch: Zunächst war ein Großauftrag, der sich auf 62 Millionen Euro summierte, storniert worden. Und dann gab es in China einen Börsencrash, wonach sich der dortige Markt abkühlte. „Das hat uns kalt erwischt. Es gab einen Schneeball-Effekt; da ist die ganze Branche auf die Bremse getreten.“ Dennoch verlagert Manz weitere Teile der Produktion von Deutschland und Taiwan nach China – weil dort viele Kunden seien.

„Reutlingen ist und wird in Zukunft noch mehr der Entwicklungsstandort von Maschinen sein“, so der Firmenchef. Im Reutlinger und Kirchentellinsfurter Gewerbegebiet Mahden würden nur noch Sondermaschinen und Prototypen gefertigt, die nahe an der Entwicklung seien. Die AG habe immer noch knapp 50 Prozent Eigenkapitalquote. 2016 solle der Umsatz wieder steigen. Weil es noch genug Aufträge gebe, habe man nicht mehr Mitarbeiter entlassen. Kurzarbeit sei indes kein Thema gewesen – dafür seien die künftigen Aufträge zu ungewiss.

Zukunft der Solarsparte

weiter offen

Der Personalabbau soll rund 7 Millionen Euro Kosten sparen. Pikant: Als der Aktienkurs Ende April bei 85 Euro lag, verkündete das Unternehmen eine Kapitalerhöhung. Die halbe Million neuer Aktien spülte 42 Millionen Euro in die Kasse der AG. Zugleich verkaufte Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender Dieter Manz 100 000 Aktien aus seinem Depot – und war auf einen Schlag um 8,5 Millionen Euro reicher. Das sorgt für Unmut bei der IG Metall. „Gehen die Beschäftigten leer aus?“, fragt die Gewerkschaft. Berichten zufolge prüft die Börsen-Finanzaufsicht Bafin den Deal. Das seien Routinevorgänge, heißt es bei Manz: „Bei uns war niemand.“

Der Vorstand prüfe weitere Einsparpotenziale „im unteren zweistelligen Millionenbereich“ durch optimierte Prozesse im Vertrieb und Einkauf, heißt es in einer Mitteilung. Die Firma wolle neue Technologien und Entwicklungen teils aufschieben, sagt der Firmenchef: „Das hilft nichts, wenn die erst in drei Jahren kommen und wir jetzt Geld reinstecken.“ Den Vertrieb in den USA will er ausbauen. „Wir müssen die Risiken rausnehmen“ – Manz möchte diversifizieren, um von großen Auftraggebern nicht mehr so sehr abzuhängen. Große Hoffnungen setzt er auf Batterien-Elektronik.

Für die seit Jahren kriselnde Solarsparte stehe die AG seit Sommer in Verhandlungen mit einem strategischen Partner, der Manz-Solartechnologie in seiner Region nutzen wolle. Anfang 2016 will die AG verkünden, wie es hier weitergeht. Manz: „Wenn das nicht funktioniert, werden wir den Solarbereich schließen müssen – mit allen Konsequenzen.“ Betroffen wären 150 Mitarbeiter.

IG Metall hofft, dass Beschäftigte jetzt Betriebsrat gründen

Die betroffenen Mitarbeiter haben gestern ihre Kündigungen erhalten. Die Frist liegt zwischen einem und sechs Monaten. Die Firma zahle individuelle Abfindungen. Laut der AG wurde die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten mit der Mitarbeitervertretung abstimmt. Einen Sozialplan gibt es nicht. Die IG Metall hofft weiter, dass die Mitarbeiter doch noch einen Betriebsrat gründen. Gewerkschaftssekretär Ralf Jaster spricht von einem „Klima der Angst“ bei der AG: „Wir hoffen, dass die Beschäftigten jetzt aufwachen.“ Ernst Blinzinger, der Erste Bevollmächtigte, fragt: „Was muss eigentlich noch alles passieren, dass sich eine Belegschaft emanzipiert und eine Interessenvertretung mit gesetzlicher Legitimation wählt?“