Tübinger Modellprojekt

OB Palmer beantwortet Fragen zur Tübinger Schnelltest-Pflicht

Nun ist es offiziell: Tübingen wird zur Modellstadt für Corona-Lockerungen in der aktuellen Phase der Pandemie. Händler, Wirte und Kreative dürfen am Dienstag endgültig für alle Menschen mit Schnelltest öffnen.

15.03.2021

Von Eike Freese und Moritz Hagemann

Bereit für täglich zehntausende Tests: die Teststationen (hier vor dem Tübinger Zinser). Bild: Ulrich Metz

Bereit für täglich zehntausende Tests: die Teststationen (hier vor dem Tübinger Zinser). Bild: Ulrich Metz

Schnelltest-Nachweise sind fürs Erste der Schlüssel für den Besuch von Handel, Gaststätten und Kulturleben. Neben den bereits geöffneten Läden dürfen ab sofort die Außengastronomie sowie theoretisch alle Kunst- und Kultureinrichtungen wie Theater, Kinos und Bibliotheken wieder öffnen. Zugangsvoraussetzung für alle ab 14 Jahren ist das „Tübinger Tagesticket“. Als Alternative sind Schnelltests in der jeweiligen Einrichtung zulässig. OB Boris Palmer hat dem TAGBLATT weitere wichtige Fragen beantwortet:

Plant die Stadt, zu kontrollieren, wer sich in einem bestimmten Zeitraum wie oft hat testen lassen?

Nein. „Es werden keine Namen erfasst, daher ist es schon gar nicht möglich, festzustellen, wie oft sich jemand testen lässt“, so OB Boris Palmer. Das sei auch gar nicht erwünscht. Nach der Bundestest-verordnung gebe es für die Bürgertestung einen Anspruch auf mindestens einen Test pro Woche, eine Obergrenze gebe es nicht. „Mit jedem Test bekommen wir die Pandemie besser unter Kontrolle“, glaubt der OB.

Wie viele Schnelltests werden benötigt und wer bezahlt sie?

Die Stadtverwaltung rechnet mit mindestens 10 000 Tests pro Tag. „Die Tests stehen in ausreichender Menge zur Verfügung“, so Boris Palmer. Die Finanzierung erfolge in erster Linie über die Bundestestverordnung (also die so genannte Bürgertestung), teilweise über das Land (in Schulen oder Kitas) und „nur in Bereichen, die davon nicht erfasst sind, über Spenden aus der Wirtschaft und dem städtischen Haushalt“.

Braucht man ein Tagesticket auch beim Abholen im Geschäft? Kann man ohne Tagesticket Essen „To Go“ mitnehmen?

Das Mitnehmen von Speisen und Getränken „To go“ fällt nicht unter die Testpflicht, so Palmer. „Click & Collect“ indes sei nicht unterscheidbar von normalem Eintritt: „Daher ist dies keine Ausnahme von der Testpflicht.“

Kann ein Impf-Nachweis einen Schnelltest ersetzen?

Nein. „Es ist derzeit nicht gesichert, dass geimpfte Personen nicht ansteckend sind“, so Boris Palmer: „Daher gibt es vorerst keine Ausnahme von der Testpflicht.“

Wie will die Stadtverwaltung in den Betrieben sowohl die Kunden-Kontrolle als auch die Mitarbeiter-Kontrolle ihrerseits kontrollieren?

„Kontrolle ist für den Modellversuch nicht entscheidend“, sagt Boris Palmer. „Es ist nicht möglich, das System in so kurzer Zeit betrugssicher aufzusetzen.“ Die Verwaltung habe zudem keine Zeit für umfangreiche bürokratische Dokumentationen. „Die Stadt setzt in erster Linie auf Einsicht und Eigenverantwortung.“ Die Beschäftigten, so Palmer, würden sich auch beim Arbeitgeber melden, wenn dieser ihnen die Testung nicht anbietet.

Im gekennzeichneten Bereich gilt die Testpflicht. An den roten Markierungen wird getestet. Bild: Stadt Tübingen

Im gekennzeichneten Bereich gilt die Testpflicht. An den roten Markierungen wird getestet. Bild: Stadt Tübingen

Was machen Menschen, die einen Friseurtermin außerhalb der Innenstadt oder vor der Öffnung der Teststationen haben?

Sie können sich vor Ort in ihrem Friseursalon testen lassen. Betriebe können sich hierfür über die Kreishandwerkerschaft mit Tests versorgen. Auch sogenannte körpernahe Dienstleistungen dürfen im ganzen Stadtgebiet nur mit vorherigem Negativtest angeboten werden. „Für die medizinisch notwendigen Leistungen, die im Lockdown auch erlaubt waren, besteht keine Testpflicht“, so Palmer. Auch der Handel außerhalb der Innenstadt-Zone ist von der Pflicht ausgenommen.

Muss sich auch das Personal in den jüngst geöffneten Betrieben nun täglich testen lassen?

Nein, laut Palmer sind zwei Tests pro Woche für das Personal verpflichtend.

Plant die Stadt weitere (beispielsweise abendliche) Teststationen außerhalb der Kernzeit? Wäre ein 24-Stunden-Ticket denkbar, statt eines Tagestickets, das nur für ein Datum gilt?

Nein. „Das Ticket sollte weiterhin nur am gleichen Tag gelten“, so der OB. „Ein Zeitraum von 24 Stunden reduziert die Aussage des Tests zu stark.“ Das Testnetz werde allerdings jetzt erweitert. Zudem stellt er in Aussicht, dass die Öffnungszeiten nach Bedarf angepasst werden könnten. „Dazu müssen die Erfahrungen der ersten Tage ausgewertet werden.“

Sind die Geschäfte der Innenstadt-Zone vor einer möglichen Schließung gefeit, wenn die Infektionen steigen? Oder gilt die Unabhängigkeit vom Infektionsgeschehen auch für Läden außerhalb der Innenstadt?

„Es gibt keine Unabhängigkeit vom Infektionsgeschehen“, so Palmer: Die Lage werde täglich bewertet. „Das Infektionsgeschehen wird aber differenzierter bewertet als nur anhand der formalen Inzidenz.“ Test-Positivrate und Dynamik der Ausbreitung würden als wichtige Faktoren mit einfließen. „Der Modellversuch kann nur solange laufen, wie das Infektionsgeschehen beherrschbar erscheint.“

Info Fragen zu den Corona-Regeln können per Mail an die Stadtverwaltung gestellt werden: corona.ordnung@tuebingen.de

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Kretschmann: „Ideen, die wir dringend brauchen“

Die Landesregierung hat das Tübinger Modellprojekt genehmigt und damit grünes Licht für die Öffnung der Außengastronomie und Kultureinrichtungen am Dienstag gegeben. „Das sind genau die innovativen Ideen, die wir in der Pandemie dringend brauchen“, wird Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einer Mitteilung vom Montag zitiert. Kretschmann mahnt zwar weiter zur Vorsicht, ein einfaches „Weiter so“ würde jedoch die Disziplin der Menschen weiter strapazieren und Branchen in Existenznöte bringen. Laut der Mitteilung seien die erhöhten Inzidenzen kein Hinderungsgrund, viel mehr wolle man Erfahrungen sammeln, ob durch den intensiven Einsatz von Schnelltests auch zusätzliche Öffnungsschritte umsetzbar sind, ohne dass dadurch ein negativer Effekt auf das Infektionsgeschehen entsteht. „Wir passen freilich auf, die bisherigen Erfolge nicht zu verspielen“, lässt sich Innenminister Thomas Strobl (CDU) zitieren.