Schienenträume im Schönbuch

In Dettenhausen gibt es wieder Visionen vom Gleisbau bis nach Tübingen

Der Gemeinderat von Dettenhausen bringt die Weiterführung der Schönbuchbahn bis nach Tübingen ins Gespräch. Diese Idee gab’s schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

02.03.2017

Von Mario Beißwenger

Nach links Richtung Stuttgart, nach rechts Richtung Tübingen: Die Betreiber der Schönbuchbahn stehen vor neuen Herausforderungen, wenn sie die Idee des Dettenhäuser Gemeinderats aufgreifen. Archivbild: Bauer

Nach links Richtung Stuttgart, nach rechts Richtung Tübingen: Die Betreiber der Schönbuchbahn stehen vor neuen Herausforderungen, wenn sie die Idee des Dettenhäuser Gemeinderats aufgreifen. Archivbild: Bauer

„Was könnten wir tun, um auf diesen Zug aufzuspringen.“ Mit dieser Frage eröffnete FWV-Gemeinderat Roland Aberle zum Schluss der Vorfaschings-Sitzung des Rates einen Gedankenaustausch zur Zukunft des Schienenverkehrs im Schönbuch. Auslöser der Bemerkung waren Zeitungsberichte über einen Besuch des Grünen-Bundespolitikers Cem Özdemir in Böblingen (siehe unten).

Aberle wünschte sich eine Initiative aus Dettenhausen, die Schönbuchbahn nicht nur Richtung Stuttgart zu verlängern, sondern auch Richtung Tübingen oder Reutlingen.

Dettenhausens Bürgermeister Thomas Engesser war überrascht von der Anfrage. Im Zweckverband der Schönbuchbahn gebe es „keine aktuellen Überlegungen. Das wurde im Zweckverband nicht diskutiert.“

Dafür dann im Rathaus von Dettenhausen. Rainer Wizenmann (FWV) erinnerte daran, dass die Schienen nie in Dettenhausen enden sollten: „Das sollte an die Ermstalbahn angebunden werden.“ Er wünschte sich etwas vom Mut der Zeit um 1900. Die Fortführung der Gleise – „das sollten wir im Grunde mal anpacken“. Motivation für ihn waren auch die Auto-Fahrverbote in Stuttgart. „Vielleicht kommen wir später gar nicht mehr mit dem Auto nach Stuttgart.“ So schlecht sei der Gedanke nicht, verstärkt auf die Schiene zu setzen.

Die Idee zündete bei mehreren Ratskollegen. Reinhold Halder von der CDU erinnerte an Pläne für ein „Königsbähnle“ zwischen Lustnau und Bebenhausen, an die angeknüpft werden könnte. SPD-Mann Thomas Wheeler-Schilling formulierte: „Jede Vision fängt mit einem kleinen Schritt an.“ Auch er nahm die Alten zum Vorbild. Ganz sicher war er: „Wenn wir nicht drauf drängen, tut sich nix.“

Wolfgang Huber schlug vor, die Kreistagsgremien mal mit dem Thema zu befassen. Andere Räte wünschten sich gleich einen Zeitplan, wie die Sache zu realisieren sei. Bürgermeister Engesser versprach: „Ich bin bereit, eine Vision zu verfolgen, aber einen Zeitplan dafür will ich mir noch nicht geben.“

Es gibt noch Zeugen der Planung

Vielleicht stand ihm vor Augen, wie schwierig sich Schienenprojekte aufgleisen lassen. Zumal die letzten Pläne zur Fortführung der Schönbuchbahn vom Anfang des 20. Jahrhundert sind. Auf der Grafik ist der Planungsstand von 1906 wiedergegeben. Da gab es eine gedachte Fortsetzung durchs Schaichtal Richtung Nürtingen als Option oder die Weiterführung nach Tübingen etwa, wie die Straße heute verläuft.

Auffallend bei den Plänen: zwei Vorschläge hätten Dettenhausen links liegen gelassen. Eine war die Schienenverbindung Tübingen-Vaihingen (auf den Fildern), die andere sollte via Weil, Böblingen und Renningen gar bis Vaihingen an der Enz führen.

Die Linie quer durch den Schönbuch nach Stuttgart stand in Tübingen hoch im Kurs. Wurde aber in Stuttgart verworfen, weil es bei Erschließung der Schönbuchgemeinden durch die kurvige Strecke kaum einen Zeitgewinn gegeben hätte gegenüber Alternativrouten etwa über Reutlingen. Teuer wäre es wegen notwendiger Tunnel auch geworden.

Von Vaihingen bis Waldenbuch wurde 1928 eine Bahn gebaut. Schönaich bekam 1922 einen Anschluss nach Böblingen. Beide Strecken sind lange schon abgeräumt.

Neben den eingezeichneten Varianten brachte Reutlingen 1912 – ein Jahr nach Eröffnung der Linie bis Dettenhausen – noch eine Möglichkeit ein. Über Walddorf sollte es nach Mittelstadt gehen und über Altenburg nach Reutlingen.

Letzte Zeugen dieser Planung gebe es noch, sagte Wizenmann. Der Schwarze Hau Weg sei deshalb so bolzgerade, weil es mal eine Schienentrasse war. Außerdem liegen auf vielen Grundstücken Grundbucheintragungen, die den Bau einer verlängerten Schönbuchbahn erlaubten, hieß es auf der Sitzung.

Für den Jubiläumsband „100 Jahre Schönbuchbahn“ hat Helga Hager Bahnstrecken zusammengetragen. Die Verlängerung der Schönbuchbahn von Dettenhausen bis nach Tübingen war angedacht. Grafik: Kreis Böblingen

Für den Jubiläumsband „100 Jahre Schönbuchbahn“ hat Helga Hager Bahnstrecken zusammengetragen. Die Verlängerung der Schönbuchbahn von Dettenhausen bis nach Tübingen war angedacht. Grafik: Kreis Böblingen

Über Stuttgart hinaus bis nach Ludwigsburg

Beim Besuch von Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, in Böblingen Mitte Februar wurde mit dem Böblinger Landrat Roland Bernhard über den Stand von Ausbau und Elektrifizierung der Schönbuchbahn gesprochen. Wie mehrfach berichtet ringt der Nachbarkreis um öffentliche Zuschüsse für das 140-Millionen-Projekt. Dabei kamen auch weitere Entwicklungsschritte zur Sprache, wenn die Fahrzeuge unter Strom fahren, bestätigt Pressesprecher Dusan Minic. In diesem Zusammenhang fielen die Sätze des Landrats, dass die Schönbuchbahn dann ja über Böblingen hinaus nach Stuttgart oder gar Ludwigsburg fahren könnte. „Es war aber klar, das geht nicht mit einem Fingerschnippen“, sagt Minic. Aber die Elektrifizierung biete die Möglichkeit über Böblingen hinaus zu fahren. Reinhold Bauer, Geschäftsführer der Schönbuchbahn, wies die Anwesenden drauf hin, dass für eine Verlängerung unbedingt ein drittes Gleis zwischen Böblingen und Stuttgart-Rohr nötig ist. Der gemeinsame Verkehr von S-Bahn und schnellem ICE-Verkehr sei schon heute auf zwei Gleisen nicht stabil abzuwickeln.

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Erstellt:
02.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 02.03.2017, 01:00 Uhr

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