Pandemie

Impfung ist Privatsache

Ob man sich gegen das Coronavirus immunisieren lässt, geht den Chef nichts an. Aber darf man dies während der Arbeitszeit tun?

18.05.2021

Von Dieter Keller

Betriebsärzte können derzeit nur in Modellprojekten gegen Corona impfen. Foto: Swen Pförtner/dpa

Betriebsärzte können derzeit nur in Modellprojekten gegen Corona impfen. Foto: Swen Pförtner/dpa

Impfen für jeden ohne Priorisierung – einige Bundesländer wie Baden-Württemberg und Berlin haben das für Arztpraxen bereits freigegeben. Bundesweit soll dies ab dem 7. Juni möglich sein. Ab dem gleichen Tag sollen auch die Betriebs- und Privatärzte impfen dürfen. Bisher geschieht dies nur im Rahmen von Pilotprojekten. Ein Problem bleibt allerdings der knappe Impfstoff. Da stellen sich Arbeitnehmern wie Arbeitgebern zahlreiche Fragen. Wobei gilt: Juristen sind sich nicht immer über die Interpretation der Gesetze einig, und es gibt bisher kaum Gerichtsurteile.

Kann ich mich während meiner Arbeitszeit impfen lassen? Grundsätzlich gilt das Gleiche wie für andere Arztbesuche, betont der DGB-Rechtsschutz: Sie sind grundsätzlich Privatsache und müssen außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Ausnahme: Wenn die Impfzentren feste Termine vorgeben, bestehe Anspruch auf Freistellung und Bezahlung. Ansonsten hilft nur: Mit dem Arbeitgeber reden – der sollte großes Interesse haben, dass sich seine Beschäftigten impfen lassen.

Muss ich mich gegen Corona impfen lassen? Nein. Auch wenn dies dringend empfohlen wird, gibt es in Deutschland weiterhin keine Impfpflicht gegen Covid-19. Daher kann dies der Arbeitgeber nicht verlangen. Das gilt nach Angaben des DGB-Rechtsschutzes auch für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Diese Einrichtungen müssen zwar nach dem Infektionsschutzgesetz sicherstellen, dass sie die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Infektionen zu verhindern. Dazu gehört aber kein Impfzwang. Der kann auch nicht per Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat eingeführt werden. Manche Juristen sind allerdings der Ansicht, die Impfverweigerung könne dazu führen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbietet und daher seinen Anspruch auf Vergütung verliert.

Muss ich meinem Arbeitgeber sagen, dass ich gegen Corona geimpft bin? Der Arbeitgeber hat im Regelfall keinen Anspruch darauf, dies zu erfahren. Weil es keine Impfpflicht gibt, kann er kein legitimes Interesse daran haben. Das könnte nur bei Mitarbeitern anders aussehen, die mit besonders gefährdeten Personen in Kontakt stehen.

Was passiert bei heftigen Impfreaktionen? Von Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen wird immer wieder berichtet. Dann gelten die Regeln wie bei allen Krankheiten: Lohnfortzahlung und spätestens ab dem dritten Tag eine Krankschreibung vom Arzt.

Was ist, wenn ich an Corona erkranke, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte, mich impfen zu lassen? Da es in Deutschland keine Impfpflicht gibt, gilt in diesem Fall die normale Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Der Arbeitgeber muss das Entgelt sechs Wochen lang weiterzahlen.

Und wenn ich dann in Quarantäne muss? Wer ein amtliches Beschäftigungsverbot erhält, weil der begründete Verdacht einer Ansteckungsgefahr besteht, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Anders sieht es laut DGB-Rechtsschutz aus, wenn die Quarantäne durch eine Impfung zu vermeiden gewesen wäre: Wer nicht im Homeoffice arbeiten kann, läuft dann Gefahr, ohne finanzielle Absicherung dazustehen.

Darf mir mein Arbeitgeber einen Bonus anbieten, damit ich mich impfen lasse? Im Prinzip ja. Allerdings muss der Betriebsrat zustimmen.

Welche Regeln gelten für die Impfung beim Betriebsarzt? Im Prinzip die gleichen wie generell: Es gibt keine Impfpflicht. Solange es noch eine Impfpriorisierung gibt, müssen sich auch Betriebsärzte an sie halten. In den Modellprojekten dürfen sie also nicht jeden impfen. Sobald die Priorisierung aufgehoben ist, können die Arbeitgeber selbst nach Rücksprache mit dem Betriebsrat eine Reihenfolge je nach der Gefährdung festlegen.

Weiter Selbsttests vom Betrieb

Noch bis Ende Juni müssen die Arbeitgeber allen Mitarbeitern, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, zweimal pro Woche einen Selbsttest anbieten. Diesen müssen die Betriebe nicht nur besorgen, sondern auch bezahlen. Es reicht nicht, Arbeitnehmer auf die kostenlosen Bürgertests zu verweisen. Diese müssen ihn selbst anwenden – dafür muss kein Extra-Personal beschäftigt werden.

Auch die Vorschriften fürs Homeoffice gelten bis Ende Juni weiter: Arbeitgeber müssen die Arbeit im Homeoffice anbieten, wenn keine betrieblichen Gründe dagegensprechen. Die Mitarbeiter müssen dies auch annehmen, „soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“.

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Erstellt:
18.05.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 57sec
zuletzt aktualisiert: 18.05.2021, 06:00 Uhr

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