Pandemie

Impfstoff unterm Weihnachtsbaum

Noch vor dem Jahresende soll das erste Vakzin in der Europäischen Union zugelassen werden. Das bedeutet viel Arbeit, einigen Streit – und die Vorbereitung auf mögliche Diebe.

04.12.2020

Von GUIDO BOHSEM, ELLEN HASENKAMP, STEFAN KEGEL, IGOR STEINLE, DOMINIK GUGGEMOS

In Spezialkühlschränken kann der Impfstoff gelagert werden. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

In Spezialkühlschränken kann der Impfstoff gelagert werden. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin. Ein Hoffnungsschimmer in Corona-Zeiten: Noch in diesem Jahr können möglicherweise bereits die ersten Impfungen gegen das Virus anlaufen. Wichtige Fragen und Antworten:

Wie viel Impfstoff wird zur Verfügung stehen? Mit den aussichtsreichsten Kandidaten von Biontech/Pfizer und Moderna werden nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis Ende März 3,5 Millionen Menschen geimpft werden können – je zwei Mal im Abstand von einigen Wochen.

Wer wird zuerst geimpft? Während Großbritannien gleichzeitig mit der Schnellzulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs einen Plan vorgelegt hat, welche Bevölkerungsgruppen in welcher Reihenfolge geimpft werden sollten, ist es in Deutschland noch lange nicht so weit. Kanzlerin Merkel erwartet solch einen Plan entweder noch vor „oder unmittelbar nach Weihnachten“. Bislang ist nur klar, dass zunächst medizinisches Personal, Hilfskräfte, Alte, Pflegebedürftige und Vorerkrankte in Impfzentren geimpft werden sollen, die gerade überall aufgebaut werden. Zu den Risikogruppen zählen nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts hierzulande 30 Millionen Menschen.

Warum geht es bei den Briten schneller? In welchen Ländern ein Impfstoff zugelassen werden soll, entscheidet zunächst einmal der Hersteller. Biontech hat eine Zulassung sowohl für die EU bei der European Medicines Agency (EMA) als auch für das aus der EU ausgetretene Großbritannien bei der dortigen Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) beantragt. In einem beschleunigten Verfahren (rolling revue) hat das Unternehmen schon vor dem Antrag Informationen mit beiden Behörden geteilt. Während die Briten entschieden haben, dass ihnen die Unterlagen reichen, fordert die EMA weitere Informationen an und nimmt sich mehr Zeit für die Prüfung. Derzeit ist der 29. Dezember avisiert.

Kann Deutschland den Impfstoff auch alleine zulassen? Zulassen nicht, in den Verkehr bringen ja. Eine Verordnung des Gesundheitsministeriums erlaubt einen solchen Schritt. Es handelt sich dann um eine Genehmigung für die Notfallanwendung. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) würde dann den nicht zugelassenen Impfstoff prüfen und beurteilen, ob der Nutzen höher liegt als das Risiko. Da eine solche Prüfung aber zeitgleich auch beim EMA unter Mitwirkung des PEI geschieht, würde dadurch kein großer Zeitvorteil entstehen.

Wie werden die Impfzentren bewacht? Wenn der Impfstoff bereitsteht, muss er rund um die Uhr bewacht werden. Denn es besteht die Gefahr, dass er gestohlen oder zerstört wird. Zum einen haben Kriminelle und ausländische Geheimdienste Interesse daran, ihn an sich zu bringen. Zum anderen befürchtet das Bundeskriminalamt, dass auch Impfgegner Straftaten in Impfzentren oder Produktionsstätten begehen könnten. Bundeswehr und Polizei haben schon angeboten, bei der Logistik zu helfen. Auch private Sicherheitsunternehmen bringen sich in Stellung: Rund 10 000 Mitarbeiter schützten sämtliche militärischen Liegenschaften in Deutschland, wirbt Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft: „Warum sollten sie nicht Impfzentren wirkungsvoll schützen?“

Wie ist der Datenschutz beim Impfen geregelt? Um überblicken zu können, wie viele Menschen in welcher Region bereits geimpft wurden, soll ein zentrales Impfregister angelegt werden. Es soll Informationen wie Wohnort, Alter und Geschlecht beinhalten und die Daten anonymisiert erfassen. Des Weiteren soll es eine Impf-App geben, in der Geimpfte für Forschungszwecke freiwillig ihre Nebenwirkungen dokumentieren können. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat bereits signalisiert, dass er keine grundsätzlichen Einwände hat. Noch ist jedoch unklar, wie Risikogruppen identifiziert und kontaktiert werden sollen, um sie vor anderen zu impfen. Dementsprechende Datenbanken existieren nicht – und deren Aufbau dürfte zu Datenschutzdebatten in den Ländern führen.

Eine Begründung für den Aufbau von Impfzentren waren die notwendigen Tiefkühlgeräte für den Biontech/Pfizer-Impfstoff. Was ist da dran? Mindestens minus 70 Grad seien für die Lagerung des Biontech-Vakzins erforderlich, hieß es lange. Nun gibt es Teilentwarnung von der Firma. Zwar ist die verwendete mRNA ein instabiles Molekül, das auch im Körper nur vorübergehende Funktionen hat und dort immer wieder neu gebaut werden muss. Bei Tiefsttemperaturen zerfällt es aber nicht, bei minus 20 Grad nur langsam und bei Kühlschranktemperaturen hält es sich immerhin ein paar Tage. Biontech-Finanzvorstand Sierk Poetting versicherte, der Impfstoff könne in mit Trockeneis gefüllten Boxen bis zu 30 Tage im Impfzentrum aufbewahrt werden oder bis zu fünf Tage in einem handelsüblichen Kühlschrank. gwb, eha, kg, igs, dgu