Tübingen

Gefälschte Impfausweise und unhygienische Zustände: Arzt aus Kreis Tübingen unter Verdacht

Weil er Corona-Schutzimpfungen in Impfpässe eingetragen, jedoch nicht vorgenommen haben soll, wird nun gegen einen Arzt aus dem Tübinger Landkreis ermittelt.

12.01.2022

Von Iris Simon

Ein Arzt aus einer Tübinger Kreisgemeinde soll Impfpässe gefälscht haben. Bild: Hans-Jörg Schweizer

Ein Arzt aus einer Tübinger Kreisgemeinde soll Impfpässe gefälscht haben. Bild: Hans-Jörg Schweizer

Ein Mediziner soll Impfungen bestätigt haben, die er nie verabreicht hat: Nun ermitteln die Staatsanwaltschaft Tübingen und die hiesige Kriminalpolizei gegen einen niedergelassenen Arzt aus einer Tübinger Kreisgemeinde wegen des Verdachts des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Um welche Praxis es sich dabei handelt, wollte Polizei nicht mitteilen.

Die Ermittlungen kamen aufgrund von Zeugenhinweisen zustande. Nachdem sich der Anfangsverdacht erhärtet hatte, kam es am vergangenen Dienstag, 11. Januar, schließlich zu mehreren Durchsuchungen in den Privat- und Praxisräumen des Arztes sowie in Wohnungen mutmaßlicher Abnehmer der gefälschten Impfpässe. Das beschlagnahmte, umfangreiche Beweismaterial muss nun ausgewertet werden.

Welche Dimension der Fall haben könnte, ist derzeit noch unklar. Die Ermittlungsbehörden halten sich bedeckt, auch weil für den Verdächtigen die Unschuldsvermutung gilt. Die Tübinger Staatsanwaltschaft will aus ermittlungstaktischen Gründen weder etwas zur Zahl der möglicherweise gefälschten Impfnachweise sagen noch dazu, wie viele Durchsuchungen es gab.

Fest steht jedoch, dass bei der Durchsuchung der Arztpraxis nicht nur Beweismaterial, sondern auch „erhebliche hygienische Mängel“ festgestellt wurden. Das Landratsamt Tübingen hat die Praxis vorübergehend geschlossen.

 



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Auf Nachfrage betonte die Pressesprecherin der Behörde Martina Guizetti dass man zu Einzelheiten keine Auskunft geben möchte. Grundsätzlich zähle bei einer Kontrolle der „Allgemeinzustand der Praxis im Hinblick auf Hygieneanforderungen im medizinischen Bereich nach Infektionsschutzgesetz und der Medizinhygieneverordnung“ – beispielsweise die Sauberkeit der verwendeten Geräte und Instrumente oder auch der Umgang mit Medikamenten. Allerdings, so Guizetti: „In den letzten Jahren sind keine Mängel in diesem Ausmaß im Landkreis aufgefallen.“ Die Praxis bleibt nun so lange geschlossen bis die unhygienischen Zustände beseitigt sind und die Praxis erneut geprüft wurde. Routinemäßige Kontrollen in Arztpraxen, die keine ambulanten Operationen vornehmen, gibt es nicht. Ähnlich wie in der Gastronomie können bei Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz jedoch Bußgelder von bis zu 25000 Euro verhängt werden.

Tobias Langenbach von der Landesärztekammer Baden-Württemberg erklärte in Bezug auf den aktuellen Vorwurf, dass der Verband bereits zahlreiche Beschwerden zu Ärztinnen und Ärzten erhalten habe, die die Gefahren der Corona-Pandemie herunterspielen oder leugnen. „Es handelt sich hier um persönliche Einzelmeinungen.“ Eine überwiegende Mehrzahl der Ärzte im Land empfinde das Verdrehen der Wirklichkeit als Zumutung. „Die Corona-Verharmloser sprechen nicht für die verfasste baden-württembergische Ärzteschaft.“

So ist die Gesetzeslage

Ermittelt wird wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 74 des Infektionsschutzgesetzes. Darin ist geregelt, dass bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe drohen, wenn jemand wissentlich eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 zur Täuschung im Rechtsverkehr nicht richtig dokumentiert, also falsch, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert. Eine nur fahrlässig nicht richtig dokumentierte Schutzimpfung dagegen ist nur eine Ordnungswidrigkeit, die mit 2500 Euro strafbewehrt ist.

Noch schwerer wird die vorsätzliche Verbreitung der im Gesetz genannten Krankheitserreger bestraft: Dann drohen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Im vergangenen November wurden auch die Strafen für das Verwenden gefälschter Impfpässe geändert: Wer einen benutzt, beispielsweise um in ein Restaurant zu kommen, dem drohen nun eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis. (job)

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Erstellt:
12.01.2022, 10:50 Uhr
Aktualisiert:
12.01.2022, 16:58 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 12.01.2022, 16:58 Uhr

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