Arbeitszeit

Immer weniger Stunden im Job

Von der 85-Stunden-Woche zur Zeit der Industriellen Revolution bis heute.

26.07.2021

Von MICHAEL HEIDER

In Duisburg stimmen 1963 IG Metall-Mitglieder über einen möglichen Streik ab. Die Metallindustrie war eine der ersten Branchen, in der die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde. Foto: Heinz Ducklau/dpa

In Duisburg stimmen 1963 IG Metall-Mitglieder über einen möglichen Streik ab. Die Metallindustrie war eine der ersten Branchen, in der die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde. Foto: Heinz Ducklau/dpa

Berlin. „Wir weben, wir weben“ , mit diesen Worten ließ Heinrich Heine jede Strophe seines „Weberlieds“ enden. Es sollte das klagende Mantra der schlesischen Weber sein, die unter der Last zu langer Arbeitszeiten den Aufstand wagten. Ein Schicksal, das vielen Zeitgenossen nicht fremd gewesen sein dürfte. Als Heine sein Gedicht im Jahr 1844 schrieb, umfasste die durchschnittliche Arbeitswoche bis zu 85 Stunden.

Anders als noch in der bäuerlichen Gesellschaft, als Tageslicht und Jahreszeit die Länge des Arbeitstags bestimmten, habe sich mit der Industrialisierung ein neues „Zeitbewusstsein“ durchgesetzt, schreibt der Historiker Michael Schneider. Den Takt gaben nun Maschinen vor. Und die Arbeitstage wurden länger: Während im Jahr 1800 im Schnitt noch 60 bis 72 Stunden gearbeitet wurde, waren es 20 Jahre später bereits 66 bis 80 Stunden. Der Höchststand von 80 bis 85 Stunden galt ab 1830. Erst im Jahr 1861 entwickelte sich die Arbeitszeit rückläufig.

Anfang des 20. Jahrhunderts setzte sich schließlich der Ruf nach einem Acht-Stunden-Tag durch. Gesetzlich festgeschrieben wurde dieser allerdings erst in der Weimarer Republik. Erneut fixiert wurde die Grenze von 48 Stunden pro Woche zur Zeit des Nationalsozialismus. Die 1938 verabschiedete Verordnung wurde allerdings nur wenig später wieder suspendiert, schreibt Michael Schneider: „Für die Kriegszeit wurde für Männer eine Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden – in Ausnahmefällen auch länger – zugelassen.“

„Samstags gehört Vati mir“

In Westdeutschland kam erst Mitte der 1950er wieder Bewegung in die Arbeitszeitregelungen. Die Gewerkschaften forderten nun die Fünf-Tage-Woche. Bei der Durchsetzung sollte auch die prominente Formel „Samstags gehört Vati mir“ helfen. Den Anfang machte die Metallindustrie, in der die Arbeitszeit bis 1967 stufenweise auf 40 Stunden pro Woche gesenkt wurde. Ab demselben Jahr galt die Fünf-Tage-Woche auch in der DDR. Mittlerweile umfasst die durchschnittliche Arbeitswoche in Deutschland rund 38,2 Stunden. Ein langer Weg seit Heines „Weberlied“. Michael Heider