Da war ich noch nie (1): Ulla Steuernagel in der Paul Horn Arena

Im rosa Bälleparadies

Ein Besuch in der Paul Horn Arena zeigt, dass sie mehr ist als nur ein Gebäude. Sie ist vor allem eine große Hallenmaschine.

19.08.2017

Von Ulla Steuernagel

So eine Halle kann sehr leer sein, doch dann gibt es umso mehr Platz zum Staunen darüber, was sie alles kann. Beim Erstbesuch wurde Ulla Steuernagel (Mitte) von Claudia Patzwahl (links)und Carla Bräunig begeleitet.

So eine Halle kann sehr leer sein, doch dann gibt es umso mehr Platz zum Staunen darüber, was sie alles kann. Beim Erstbesuch wurde Ulla Steuernagel (Mitte) von Claudia Patzwahl (links)und Carla Bräunig begeleitet.1

Sie ist weniger groß, als ich dachte. Das liegt daran, dass ein leerer Raum oft kleiner wirkt als ein möblierter oder bevölkerter. Die Paul Horn Arena scheint zwar kleiner, aber auf keinen Fall weniger rosa, als ich sie mir vorgestellt habe. Rosa ist der stärkste erste Eindruck: glatt über die Spielfläche gelegt, plissiert auf den Tribünen, vertikal an den Gitterstäben, kein Babyrosa, auch kein Pink, dieses Rosa geht ins Magentahafte.

Auf den Farbton war ich gefasst, denn an der Paul Horn Arena kommt niemand vorbei, der den Regionalen Sportteil des TAGBLATTs anschaut. Als rosafarbener Teppich und rosafarbene Hintergrund-Tapete ist sie mir auf Papier schon oft begegnet. So als hätten Feministinnen mit dem Textmarker die Seiten durchgearbeitet und ihre leicht boshaften Fußnoten hinterlassen.

So wundert es auch nicht, dass zwei Frauen die Herrinnen der Halle sind: Claudia Patzwahl, zuständig für das Projektmanagement im Schul- und Sportamt der Stadt Tübingen und Geschäftsführerin der Tübinger Sporthallenbetriebsgesellschaft, und ihre Assistentin Carla Bräunig. Das Einstiegsthema Rosa überrascht sie nicht. Es sei nicht ihr Vorschlag gewesen, gibt Claudia Patzwahl zu verstehen, die (männlichen) Architekten haben die Farbe ausgewählt. Patzwahl leuchtet diese Wahl durchaus ein: „Stellen Sie sich vor, es wäre Blau geworden! Oder Grün!“ Blau sei fast jede Halle und sähe aus wie ein „leeres Schwimmbecken“. Und Grün biete keinen Kontrast zu den Außenanlagen. Rosa jedoch liefert ein warmes Licht und einen schönen Gegensatz zum Betongrau, das den oberen Teil der Halle dominiert. Auch ich – nicht unbedingt Rosa-Fan – freunde mich zusehends mit der Farbe an. „Die Tussies aus Metzingen fühlen sich hier pudelwohl“, sagt Patzwahl. Die Farbe habe ihnen auch schon die Achtung ihrer Gegenspielerinnen eingebracht: „Oh, ihr habt eure eigene Halle!“

Ohne Tussies oder Tigers sieht der leere Boden wie ein „Burda“-Schnittmuster aus. Wo kann man das Basketball-Spielfeld ausschneiden? Für Basketball, so erfahre ich, wird ein Parkett ausgelegt, die Begrenzungslinie dafür ist kaum sichtbar.

Mein Blick schweift über die Tribünen. Wo bitte sind die billigen Plätze? Die Hallenbesucher, die ich kenne, gehören eher zum Stehpublikum. Es gibt knapp 2000 Sitzplätze und etwas mehr als 1000 Stehplätze. Claudia Patzwahl zeigt auf ein paar bescheidene graue Treppenstufen über dem rosa Block. Aber das sind bei weitem nicht alle. In dieser Halle lässt sich fast alles ein- und ausfahren. Die Halle ist ein Chamäleon. Man kann einen Teil der Tribünen verschwinden lassen, man kann das Spielfeld dritteln, und drei Schulklassen oder Vereine nebeneinander sporteln lassen. Man kann einen Boxring aufs Feld setzen. Man kann sogar mit sehr viel Aufwand ein Udo Lindenberg Konzert geben.

Eigentlich wollte ich die Halle ja voll in Action erleben, aber in den Ferien ruht der Honky-Tonky-Betrieb. Claudia Patzwahl, der Hallenhüterin der Stadt, ist das nur recht. Denn die Halle braucht außerhalb von Basketball-, Handball-, Volleyball- und Schulsportsaison vor allem eines: Pflege und Wartung.

Patzwahl ist froh, einmal vorzuführen zu können, was alles in der kurzen Ferienzeitspanne gerichtet werden muss. Als hätte sie damit ein Zeichen zum Einsatz gegeben, klopfen zwei Arbeiter gegen die Steckgeländer, die das Publikum vom Spielfeld trennen. Es hallt durch den ganzen Raum: „Sehen Sie“, sagt Patzwahl, „wenn hier gearbeitet wird, versteht man nichts mehr.“

Schönheitsreparaturen werden laufend gemacht. Nur so ist zu erklären, dass die 13 Jahre alte Halle so gepflegt aussieht. Kaum ein Kratzer am Boden. Patzwahl und Bräunig achten sehr darauf. Denn, so Patzwahls Motto: „Wo es gut aussieht, verhält man sich auch entsprechend.“

Hier geht es aber nicht nur um Schönheit, es geht auch um Sicherheit und um Hygiene. Gerade hat der TÜV die Stehtribünen getestet, deshalb ist ein Teil von ihnen ausgefahren. Die Halle ist nämlich eine richtige Hallenmaschine. Für Hallen-Laien gibt es eine über 60-seitige Bedienungsanleitung. Darin sind Bestuhlungspläne, Deckenlasten, Fluchtwege, Bühnenaufbau – und alles was der Nutzer wissen muss – verzeichnet. Verschwinden und Erscheinen hat hier im Haus viel mit dem Himmel zu tun. Da oben hängen keine Engel, aber Körbe, zusammengelegte Netze, Vorhänge, Flaschenzüge, Motoren. In diesem Himmel herrscht eine geradezu vorbildliche Ordnung.

Vieles muss am Boden jedoch auch händisch geschoben, gerollt und gelegt werden. Der Hausmeister hat kein Cockpit, von dem aus er die Hallenmaschine fliegen lassen kann. Es gibt Steuergeräte, die an verschiedenen Stellen angedockt werden müssen, erklären die Hallen-Expertinnen. Die Halle sei eben von Anfang an ein „Kompromiss zwischen Finanzierung und Kostendeckel“ gewesen, sagt Patzwahl. Die Lagerräume seien mittlerweile jedoch viel zu klein. Im Lager sieht man es, schon der Parkettboden nimmt soviel Platz ein, dass sich alle Sport- und Turngeräte eng zusammendrücken müssen. Die Lagerung ist höchst ausgeklügelt. Damit die Ballkisten auch wirklich immer da stehen, wo sie stehen sollen, kleben Fotos an den Wänden.

Es gibt noch so viel mehr zu besichtigen in dieser Halle: der Vip-Bereich für Sponsoren, die Turnhalle, die Leichtathletik-Zone mit zugedeckten Weitsprunggraben. Die Umkleiden, die extrahohen Duschen für extragroße Männer. Nur eines fehlt mir jetzt noch: der Spielbetrieb. In den werde ich bei nächster Gelegenheit reinschauen.

Matten, Bälle, Reckstangen – im Lager geht es sportlich zu. Bilder: Faden

Matten, Bälle, Reckstangen – im Lager geht es sportlich zu. Bilder: Faden

Paul Horn Arena im Überblick

Die Halle ist 13 Jahre alt und wurde als Multifunktionshalle für Schul-, Breiten-, Leistungs- und Bundesligasport konzipiert. 3006 Zuschauer haben in ihr Platz, das Spielfeld ist 1439 Quadratmeter groß. Im Turnraum gibt es fest installierte Geräte wie Trampolin, Reck und Barren. Im Leichtathletik-Bereich eine Laufbahn mit Weitsprunggrube.

Bei Veranstaltungen mit Bühne und Stühlen auf der Spielfläche muss ein Schutzboden verlegt werden, den Veranstalter extra besorgen müssen, für ihn gäbe es in der Halle keinen Lagerraum.

Zum Dossier: Da war ich noch nie

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Erstellt:
19.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 19.08.2017, 01:00 Uhr

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