Corona

Im Privatjet auf Impfreise

Mit Glück, Trickserei oder Geld ergattern manche einen Impftermin im Ausland. Der Markt für fragwürdige Reiseangebote und Ampullen aus dunklen Kanälen wächst.

22.02.2021

Von DPA

Dubai/Neu Delhi. Hala Baidun wollte in Dubai eigentlich nur ihre Schwester besuchen. Aber als deren Firma in der Golf-Metropole im Januar zur Corona-Impfung lud, versuchte die Libanesin spontan auch ihr Glück. „Sie kopierten unsere Pässe, nahmen unsere Daten auf, gaben sie in den Computer ein und impften uns.“ Einen Wohnsitz in Dubai hat die 50-Jährige nicht, einen Pass der Vereinigten Arabischen Emirate auch nicht. Offenbar durch einen glücklichen Zufall erhielt Baidun die Impfung, auf die dieser Tage weltweit Millionen hoffen.

In einigen Ländern haben sich Schlupflöcher aufgetan für diejenigen, die das seit über einem Jahr wütende Coronavirus mit der doppelten Spritze hinter sich lassen wollen – und die darauf in ihren Heimatländern Wochen oder Monate warten müssten. Menschen wie Baidun, die durchs Raster rutschen und eine Impfung erhalten, die sonst nur an Landsleute und Anwohner vergeben wird.

Ein regelrechter Impf-Tourismus setzte in Florida ein: In dem US-Bundesstaat konnten zeitweise auch Nicht-Anwohner das Vakzin bekommen, weshalb bald nicht nur wohlhabende Besucher aus New York und Kalifornien auftauchten, sondern etwa auch reiche Argentinier. Unfair, klagten Anwohner über die Vordrängler aus der Ferne.

Für Empörung sorgte auch das Millionärs-Paar aus Kanada, das sich die Spritze in einer Ureinwohner-Siedlung erschlichen haben soll. Der frühere Chef einer Casino-Firma und die Schauspielerin reisten mit einem kleinen Flugzeug ins abgelegene Yukon, wo sie laut Berichten erklärten, bei einem Gasthof in der Gegend zu arbeiten, um sich dann impfen zu lassen. Aber der Plan flog auf.

In Reichweite gerückt ist die Impfung vor allem für die besonders Wohlhabenden. Das „Wall Street Journal“ zitierte ein Unternehmen in Kanada, dessen Kunden Tagesflüge nach Florida mit dem Privatjet anfragten. Kosten: Umgerechnet zwischen 20?000 und 65 000 Euro. In Großbritannien machte der exklusive „Reise- und Lifestyle-Club“ Knightsbridge Circle von sich reden, dessen Mitglieder umgerechnet rund 28 000 Euro pro Jahr bezahlen sollen. Im Angebot seien Impf-Reisen in die Emirate und Indien, berichtete der „Telegraph“. „Wir buchen (unseren Mitgliedern) eine schöne Villa mit einem Schwimmbad, einem Koch und Hausangestellten“, sagte Clubgründer Stuart McNeill demnach. „Sie landen, kriegen ihre erste Impfung und warten auf die zweite.“

In Indien bieten Reisebüros wie Zenith Leisure Holidays Limited seit einigen Wochen Impf-Reisen ins Ausland an. Dessen Chef Manoj Mishra sagte, dass er damit gleich zwei Kundenbedürfnisse befriedige – Abenteuerlust und Gesundheit. Für umgerechnet 2800 Euro geht es etwa zweimal nach London, Vier-Sterne-Hotel, Visum, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel inklusive. Kuba hat sogar angekündigt, dass Touristen sich nach Zulassung des kubanischen Impfstoffs Soberana2 auf der Karibikinsel impfen lassen können. Ob Urlauber dafür zur Kasse gebeten werden, ist bislang unklar.

In den meisten Fällen gibt es bisher aber einen Haken: Die Emirate impfen keine Touristen mehr, wie das Gesundheitsministerium bestätigt. Das Reisebüro in Indien, das von 800 Vorab-Registrierungen im Internet und 1500 telefonischen Anfragen berichtet, hat noch gar keine Erlaubnis der betroffenen Länder. Der Knightsbridge Circle in London musste auf Nachfrage des „Guardian“ klarstellen, dass in den Emiraten nur Club-Mitglieder geimpft werden könnten, die dort eben auch Anwohner sind – derzeit fünf Personen.

Wer sich die Wartezeit anderweitig verkürzen will, sucht auf dem Schwarzmarkt. Beim Nachrichtendienst Telegram behaupten Nutzer, Astrazeneca-, Pfizer/Biontech- sowie Moderna-Ampullen pro Stück für umgerechnet 125 bis 183 Euro inklusive Versand zu verkaufen – „eisgekühlt, doppelt vakuumversiegel, mit Tracking-Nummer“, wie es dort heißt. J. Sadek, A. Galli und D. Düttmann, dpa

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Erstellt:
22.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 22.02.2021, 06:00 Uhr

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