Der Kirschsortengarten: Kulturgut am Farrenberg

Im Mössinger Kirschsortengarten wachsen zwischen 100 und 140 verschiedene Sorten

Noch hängen einige Bäume prallvoll mit den schmackhaften roten Steinfrüchten. Auch bei der Kirschenanlage unterhalb der Olgahöhe blitzt es allenthalben rot hinter den grünen Blättern hervor. Dass die rund 500 Bäume dort nicht besonders gepflegt sind, diesen Eindruck hat so mancher Bürger in den letzten Wochen gewonnen.

04.07.2018

Von Amancay Kappeller

Rund und rot sind sie fast immer, trotzdem gibt es Unterschiede: Unterhalb der Olgahöhe wachsen an die 140 verschiedene Kirschsorten.Bild: Franke

Rund und rot sind sie fast immer, trotzdem gibt es Unterschiede: Unterhalb der Olgahöhe wachsen an die 140 verschiedene Kirschsorten.Bild: Franke

„Das ist Unsinn“, sagt Markus Lutz, der bei der Stadt Mössingen als Grünflächenmanager beschäftigt ist. Mehr als 20 000 Bäume wachsen insgesamt im Mössinger Kirschenfeld. Wie viele andere im Stadtgebiet sind auch die Bäume im Kirschsortengarten unterhalb der Olgahöhe vor etwa 50 Jahren gepflanzt worden. „Der mäßige oder schlechte Zustand ist auf die natürliche Alterung zurückzuführen“, erklärt Lutz. Viele seien am Absterben. Man bemühe sich aber intensiv um deren Erhalt. Es laufen Veredelungsmaßnahmen.

Angelegt wurde der Mössinger Kirschsortengarten in den 1960er Jahren von einem Professor der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit „Felger Senior“, so Lutz – dem Vater des langjährigen Stadtgärtnermeisters Dieter Felger. Im Mössinger Kirschsortengarten wachsen Sorten aus ganz Europa. Er ist einer von fünf Gärten dieser Art im süddeutschen Raum und gilt als wertvolles Kulturgut. Im Mössinger Kirschsortengarten sei die Sortenvielfalt noch am besten erhalten, sagt Lutz.

Seit 2004 kümmern sich Experten darum, die einzelnen Sorten in der Mössinger Anlage zu bestimmen. Und das ist eine ziemliche Mammutaufgabe. 2007 holte man auch Fachleute vom Landratsamt mit ins Boot, erläutert Lutz. Damals sei die Anlage aus dem Dornröschenschlaf geweckt worden. Im Jahr 2012 stellte die Stadt einen Antrag auf Förderung bei der Stiftung Naturschutzfonds des Landes. Inhalt des Antrags war der Schutz der genetischen Vielfalt. Als Ziel formulierte man die Untersuchung und die Sicherung des Bestands im Kirschsortengarten. Die Anlage sollte wieder genutzt und gepflegt werden. Nach Bewilligung der Förderung nahm Landschaftsarchitekt Horst Grüllmeier aus Reutlingen die Arbeit am Fuß des Farrenbergs auf.

Seit 2013 beschäftigen sich die Hobby-Pomologen Kornelia Halach und Peter Schüle ehrenamtlich mit der Bestimmung der vielen verschiedenen Sorten und veredeln diese auch neu. Außerdem werden Jungbäume gepflanzt und alte geschnitten. Die Sortenbestimmung, das sei schon „eine Disziplin für sich“, sagt Lutz. Um Erkenntnisse gewinnen zu können muss man nicht nur den Blütezeitpunkt im Blick haben, sondern etwa auch die Kirschkernform. Auf manchen Bäumen wachsen gar mehrere Sorten. Und das Klima spielt auch nicht immer mit bei der Bestimmung. Der Grünflächenmanager schätzt, dass es im Mössinger Kirschsortengarten 100 bis 140 Sorten gibt. Davon ist bislang gut die Hälfte bestimmt. „Und bei einem Teil gibt es Vermutungen“, so Lutz. Zwei bis drei Jahre dauert es wohl noch, bis alle Sorten in der Anlage einen Namen haben – und zwar dann hoffentlich den korrekten.

Und wie soll es mit der Kirschsortenanlage weitergehen? „Wir wollen erst einmal sehen, was an Sorten da ist und welche für Mössingen einmalig sind“, erklärt Lutz. Dann werde man über ein Konzept für die Anlage nachdenken, eventuell mit touristischer Nutzung. Um den Kirschsortengarten zu schützen, sollten Bürger eines beachten: Dort dürfen auf keinen Fall Kirschen gepflückt werden, betont Lutz.

Kirschen in Mössingen selber pflücken

Dieses Jahr organisiert die Stadt Mössingen keinen Kirschenverkauf. In den Kirschenanlagen in Belsen, im Gebiet Brunnentröge und Bavendorf beim Alten Morgen in Belsen, dürfen die Kirschen aber auf eigenes Risiko selbst geerntet werden. Teilweise sind für die Ernte Leitern erforderlich. Die Stadt bittet darum, bei der Ernte schonend mit den Bäumen umzugehen. Die Kirschen wurden nicht gespritzt. In der oberen und unteren Kirschenanlage auf der Olgahöhe dürfen jedoch keine Kirschen gepflückt werden, weil die Bäume dort derzeit mit alten Sorten verstärkt gepflegt werden. Infos dazu bei der Stadtverwaltung unter der Telefonnummer 0 74 73 / 370 337.