Drei Jahre Haft für den Unfallfahrer von Bodelshausen

Im August kam bei einem Unfall ein junger Mann ums Leben · Der Unfallfahrer muss ins Gefängnis

Emotionale Szenen begleiteten die Verhandlung am Mittwochvormittag: Die Mutter des Verstorbenen brach in Tränen aus, als der Angeklagte den Saal des Hechinger Amtsgerichts betrat – und während der Verteidiger sein Plädoyer verlas, kam es zu Zwischenrufen aus dem Publikum.

17.01.2018

Von Moritz Siebert

Mit mindestens Tempo 150 knallte der Fahrer des Porsche Cayenne in den Gegenverkehr. Ein junger Mann kam dabei ums Leben. Der Schuldige wurde nun zu drei Jahren Haft verurteilt. Archivbild: Franke

Mit mindestens Tempo 150 knallte der Fahrer des Porsche Cayenne in den Gegenverkehr. Ein junger Mann kam dabei ums Leben. Der Schuldige wurde nun zu drei Jahren Haft verurteilt. Archivbild: Franke

Auch die Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtsgebäude waren hoch: Besucher des Prozesses mussten Handys und Taschen abgeben. Justizbeamte beaufsichtigten im und vor dem Saal.

Wegen „vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung“ musste sich ein 39-jähriger Mann vor dem Schöffengericht verantworten. Am 20. August hatte er mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und in betrunkenem Zustand zwischen Bodelshausen und Hechingen einen Unfall verursacht, bei dem der 31-jährige Vedat E. ums Leben kam.

Eindeutige Sachlage

Die Sachlage war recht eindeutig, das Unfallgutachten ließ kaum Fragen offen. In der Verhandlung ging es vor allem darum, Klarheit zu schaffen über die Hintergründe des Unfalls und die Lebensverhältnisse des Angeklagten. „Es tut mir sehr leid, dass das passiert ist“, sagte dieser zu Beginn der Verhandlung: „Ich möchte mich entschuldigen.“ Ein Dolmetscher übersetzte für ihn. Der bosnische Staatsbürger lebte in den Jahren 2013 bis 2016 in Deutschland. Vor dem Unfall war er zum zweiten Mal im Jahr 2017 nach Bodelshausen gekommen. Der Plan sei gewesen, die Lebensgefährtin, die dort wohnt, zu heiraten und mit ihr ein neues Leben zu beginnen.

An den Unfall selbst könne er sich nicht erinnern, sagte der heute 39-Jährige. Ausführlicher berichtete am Mittwoch seine Lebensgefährtin, die als Zeugin geladen war, über den Unfalltag. Sie habe sich wegen Kopfschmerzen hingelegt, er habe sich in dieser Zeit den Autoschlüssel genommen und sei mit dem Wagen davongefahren. Dass er zuvor schon mindestens vier Bier in einer Gaststätte in Bodelshausen getrunken hatte, bestätigte der Angeklagte vor Gericht. Von einem Bekannten habe die Freundin am Abend erfahren, dass ihr Wagen, ein Porsche Cayenne, in einen schweren Unfall verwickelt sei.

Es war nicht das erste Mal, dass der Angeklagte betrunken am Steuer saß. Laut Vorstrafenregister erwischte ihn 2014 eine Streife in Rottenburg. 2016 war er dann ohne Fahrerlaubnis mit dem Auto unterwegs. Laut psychologischem Gutachten ist der 39-Jährige alkoholabhängig. Er wolle eine Therapie machen.

Staatsanwältin Jessica Strothmann sah sämtliche Vorwürfe in der Verhandlung bestätigt. Sie plädierte für eine zweijährige Haftstrafe. Für den Angeklagten spreche, dass er sich entschuldigt habe bei der Familie des Opfers. Zu Lasten sei ihm zu legen, dass es bereits einen Eintrag wegen Trunkenheit am Steuer gebe und der entstandene Schaden sehr hoch sei. Zusätzlich sollte der 39-Jährige zwei Jahre lang keine Fahrerlaubnis bekommen. Der Anwalt der Nebenkläger, den Angehörigen des Verstorbenen, forderte drei Jahre Haft. Dem Angeklagten sei bewusste gewesen, dass er nicht fahrtüchtig war.

„Tragischer Unglücksfall“

„Er hatte keine Chance zu überleben, daran gibt es nichts zu deuteln“, sagte Strafverteidiger Hans-Christoph Geprägs. Der Sachverhalt sei einfach: „Er hat den Unfall verursacht.“ Als mögliche strafmindernde Aspekte führte er an, dass sein Mandant selbst schwer verletzt wurde beim Unfall, dass er bereits seit vier Monaten in Untersuchungshaft sitze und dass er seine Schuld voll einsehe. Geprägs forderte zwei Jahre auf Bewährung.

Das Schöffengericht verurteilte den Unfallfahrer schließlich sogar zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Eine Fahrerlaubnis soll er frühestens in zwei Jahren wieder bekommen. „Es handelt sich um einen ausgesprochen tragischen Unglücksfall“, fasste Richter Ernst Wührl zusammen. Im Rahmen eines Prozesses sei das Geschehene angesichts der menschlichen Tragödie nicht angemessen aufzuarbeiten. „Ein Strafprozess kann das nicht leisten.“ Die Sache strafrechtlich zu bewerten, sei aber nicht kompliziert. Der Beschuldigte sei alkoholisiert und „in einer Art und Weise gefahren, die jeglicher Beschreibung spottet“. Es handle sich zwar um „eine deutliche und harte Strafe“ – diese sei dem Verschulden aber angemessen.

Gutachten: Über 150 Stundenkilometer und 1,5 Promille

Der tödliche Unfall ereignete sich am Abend des 20. August 2017 in einer langgezogenen Kurve auf der Verbindungsstraße zwischen Bodelshausen und Hechingen. Laut Polizeibericht war um 19.19 Uhr der erste Notruf eingegangen. Zwischen den Autowracks erstreckte sich auf 65 Metern ein Splitterfeld.

Laut Gutachten war der Unfallschuldige bei der Kollision mit seinem Wagen „annähernd vollständig“ auf die Gegenfahrbahn geraten. Außerdem haben die Untersuchungen ergeben, dass er beim Aufprall mit mindestens Tempo 150 gefahren sein muss. Hinweise auf technische Mängel gab es keine. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Schuldige über 1,5 Promille Alkohol im Blut.

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Erstellt:
17.01.2018, 17:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 17.01.2018, 17:30 Uhr

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