Igor Perovic: „Ich bin wieder bereit“

Igor Perovic über Burnout, den Trainerjob und seine Zeit bei den Tigers

Mit seinem Rücktritt am Tag vor Heiligabend hatte Igor Perovic alle überrascht. Die Entscheidung fiel spontan nach einer Heimniederlage gegen Bonn, doch sie war auch ein Hilferuf: „Es war Burnout“, sagt der 42-Jährige. „Die Ruhe hat mir gutgetan“, sagt Perovic heute. Nach einem halben Jahr Pause will er zurück ins Basketball-Geschäft: „Ich bin wieder bereit.“

11.06.2016

Von Hansjörg Lösel

Basketball-Trainer Igor Perovic: Die Rücktritts-Entscheidung fiel spontan, „aber mir ging es davor schon länger nicht gut, auch körperlich“. Nach einem halben Jahr Pause fühlt er sich wieder bereit für neue Aufgaben. Archivbild: Ulmer

Basketball-Trainer Igor Perovic: Die Rücktritts-Entscheidung fiel spontan, „aber mir ging es davor schon länger nicht gut, auch körperlich“. Nach einem halben Jahr Pause fühlt er sich wieder bereit für neue Aufgaben. Archivbild: Ulmer

Tübingen. Endlich hatte Igor Perovic Zeit, die French Open im Tennis zu verfolgen. Den Siegeszug seines Landsmanns Novak Djokovic in Paris hat er genau beobachtet. „Tennis ist vielleicht der härteste Sport“, sagt er, „da ist alles mental“. Dieser Tage will Perovic mal das Turnier auf dem Stuttgarter Weißenhof besuchen – in all den Jahren zuvor blieb für so etwas nie Zeit. Tägliches Training bestimmte den Alltag des Basketballers, seit er 18 ist. Gleich nach der eigenen Karriere der Wechsel ins Trainer-Amt, 2008 als Assistent von Tolga Öngören, ein Jahr später Chefcoach bei den Walter Tigers. Siebeneinhalb Jahre lang stand Perovic in der Verantwortung. Und nach Saisonende ging es nicht etwa in den Urlaub, jeden Sommer über bastelte Perovic gemeinsam mit Robert Wintermantel am Kader für die neue Saison, sichtete Spieler, verhandelte mit Agenten. Ein Chefcoach bei einem Bundesligisten mit vergleichsweise kleinem Budget ist Mädchen für alles, was große Klubs mit einem ganzen Stab von Mitarbeitern erledigen, muss er im Alleingang stemmen. Stefan Koch, der frühere Bundesliga-Coach, hat dieses Dilemma in einem Aufsatz zur Jahreswende angesprochen. Perovic hat den gelesen. „Da steht alles drin“, sagt er.

Auch das Fan-Verhalten ist eigenartig: Pleiten kreiden sie zuerst dem Trainer an, für Erfolge werden die Spieler gefeiert. An jenem 23. Dezember 2015, beim Heimspiel gegen Bonn, reckte ein Zuschauer direkt hinter der Tigers-Bank einen Papp-Karton hoch, „Perovic raus“ stand darauf. Den Fan habe er nicht wahrgenommen, sagt er, in der Kabine fasst Perovic einen Entschluss: Der Coach teilt dem Team seinen Rücktritt mit, überrascht damit alle, auch seinen langjährigen Weggefährten Wintermantel. „Es war eine spontane Entscheidung“, sagt Perovic. „Ich hatte es nicht geplant, das kam nach dem Spiel aus mir heraus.“ Nicht einmal seine Frau wusste vorher Bescheid, „sie war geschockt“, sagt Perovic. Aufgestaut hatte sich vieles, über lange Zeit. Bei den Tigers war der Coach immer auch Einzelkämpfer, sein langjähriger Assistent Radi Zdravkovic konnte aufgrund seines Lehrer-Jobs nur in Teilzeit arbeiten, Jens Leutenecker fehlte die Erfahrung auf Bundesliga-Niveau.

Perovic ist keiner, der sich beklagt – all die erwähnten Probleme, die ein Coach in einem kleinen Verein eben hat, war er bereit auszuhalten. Doch die über Jahre dauernde Serie an schweren Verletzungen hat ihn mürbe gemacht, regelmäßig warfen böse Blessuren von Leistungsträgern die komplette Planung über den Haufen. Johannes Lischka schien auf dem Weg zum besten Deutschen der Liga, als im November 2013 ein Gehirntumor entdeckt wurde. Jonathan Wallace, der Dreier-Spezialist, fiel mit Handgelenks- und Schulterproblemen ständig aus. Michael Cuffee, vorgesehen als erste Option in der Offensive, bekam Augen-Probleme. Trotzdem hielten die Tigers jedes Mal gerade noch den Kopf über Wasser, mit enormer Disziplin hielt Perovic dem Druck im Abstiegskampf stand. Die Saison 2015/2016 hatte der Serbe mit Wintermantel vielleicht noch akribischer geplant, um endlich wieder ein sorgenfreies Jahr zu erleben. Zentrale Figur im Personal-Puzzle war Jesse Sanders – ausgerechnet der US-Amerikaner erkrankte gleich zu Saisonbeginn, der Spielmacher fiel lange aus. „Viele Leute haben nicht realisiert, wie wichtig Sanders für diese Mannschaft war“, sagt Perovic.

Nach seinem Rücktritt suchte Perovic die Hilfe eines Spezialisten. „Mir ging es davor schon länger nicht gut, auch körperlich“, sagt er. Bei seinem Besuch in der TAGBLATT-Redaktion diese Woche sieht er gut aus, entspannter als vor einem halben Jahr. „Es geht mir gut“, sagt Perovic. Er hatte Zeit für sich, für die Familie. Aber auch die Lust auf Basketball ist wieder da. Der Ex-Coach hat alle Tigers-Spiele angeschaut, aktuell verfolgt er die Playoffs in den verschiedenen Ligen Europas. „Ich bin wieder bereit für einen Job“, sagt Perovic. Sein Agent kümmert sich darum, aber ohne Druck. „Wenn ich noch eine Weile Ruhe habe, ist es auch gut“, sagt Perovic.

Katic ist Meister, Campbell beinahe, Rubit wird wohl Vize

Deutschland, Belgien, Frankreich: Diese Woche greifen gleich drei Ex-Tiger nach den Meisterschaften in ihren jeweiligen Ligen. Die Ulmer und Augustine Rubit lieferten den übermächtigen Bambergern vor allem im Spiel zwei einen großen Kampf, müssen sich aber wohl am Sonntag endgültig geschlagen geben. Louis Campbell steht mit SIG Straßburg erneut im Finale in Frankreich, verpasste aber am Donnerstag den ersten Matchball gegen Lyon-Villeurbanne. Trotzdem hat Straßburg bei einer 2:1-Führung alle Trümpfe in der Hand. Den Titel in Belgien schon sicher hat Rasko Katic: Der Center führte Ostende mt 25 Punkten zum Sieg im vierten Spiel gegen Okapi Aalstar. „Er ist der größte Kämpfer, den ich kenne“, sagt Perovic über seinen Landsmann Katic. Der hatte zwar verspochen, irgendwann nach Tübingen zurückzukehren. „Aber für nächstes Jahr hat er noch Vertrag in Ostende“, sagt Perovic, der regelmäßig in Kontakt mit Katic ist.