„Ich war ein Känguru-Dummy“

Interview mit Regisseur Dani Levy

Die Verfilmung von Marc-Uwe Klings erfolgreichen „Känguru-Chroniken“ ist eine Herausforderung. Regisseur Dani Levy erzählt von dem Wagnis.

03.03.2020

Von Dieter Osswald

Das Känguru und Marc-Uwe kommen sich beim Pfannkuchen-Backen näher. Foto: -/X Filme/X Verleih/dpa

Das Känguru und Marc-Uwe kommen sich beim Pfannkuchen-Backen näher. Foto: -/X Filme/X Verleih/dpa

Immer die Klappe aufreißen – das Känguru ist nicht zu stoppen. Sehr zum Leidwesen seines Freundes Marc-Uwe, der dank seines Beuteltiers Riesenärger bekommt. Jetzt reißt es seine frechen Sprüche im Kino, im Film „Die Känguru-Chroniken“. Regie führte Dani Levy, bekannt nicht zuletzt für seine Komödie „Alles auf Zucker“.

Herr Levy, was ist anstrengender: Ein „Tatort“ ganz ohne Schnitt oder eine Komödie mit einer Hauptfigur, die erst später durch Tricktechnik zum Leben erweckt wird?

Dani Levy: Ein „Tatort“ ohne Schnitt ist kurz und schmerzlos. Im Unterschied zu diesem schnellen ekstatischen Rausch war das „Känguru“ ein Langstreckenlauf, der sehr viel Arbeit und Zeit beansprucht hat. Beides hat großen Spaß gemacht, gerade weil man die Dinge nicht wirklich berechnen kann und vieles völlig neu für mich gewesen ist.

Wird die Tricktechnik nicht zur angezogenen Handbremse für die Spontaneität beim Dreh?

Wir hatten mit dem Komödianten Volker Zack ja einen realen Menschen, der das Känguru in einem Motion Capture Suit gespielt hat. Dadurch hatten die anderen Schauspieler einen echten Spielpartner und damit die Chance, emotional spontan und impulsiv zu agieren. Als wir mit den Vorbereitungen begannen, entschieden wir mit der Animationsfirma Trixter, dass wir keinen bunten märchenhaften Film à la „Paddington“ machen wollten, sondern einen rauen Straßenfilm, in dem das Känguru so behandelt wird wie jede andere Figur.

Wie viel Känguru steckt in Dani Levy?

Ich versuche, das Känguru in mir wach zu halten (lacht). Den verschlafenen Bademantel-Dani-Levy verlasse ich bisweilen ganz gern, um den hyperaktiven, anarchistischen Teil in mir zu aktivieren. Dann sage ich geradeheraus, was mir auf der Zunge liegt, statt mich diplomatisch zurückzuhalten. Solche Unbequemlichkeiten und der Sprung ins kalte Wasser haben ja durchaus ihren Reiz.

Känguru-Regisseur Dani Levy. Foto: Britta Pedersen

Känguru-Regisseur Dani Levy. Foto: Britta Pedersen

Sie sollen lange ein Känguru-Dummy gewesen sein, bis Ihre Kinder Ihnen auf die Sprünge halfen?.?.?.

Absolut, ich war ein völliger Känguru-Dummy. Das liegt vor allem am Radioprogramm. Die „Känguru-Chroniken“ liefen auf Radio Fritz, und ich bin Radio-Eins-Hörer. Tatsächlich haben dann meine Kinder die Hörspiele angeschleppt. Im Kinderzimmer lief das plötzlich in Dauerschleife, wie zuvor der „Harry Potter“ mit Rufus Beck. Die Begeisterung der Kinder habe ich zunächst überhaupt nicht verstanden, weil sie eigentlich noch gar nicht begreifen konnten, worum es da geht. Aber sie fanden es trotzdem total lustig. Kinder fasziniert diese Energie eines frechen Zeitgenossen, der sich nicht um Verbote schert.

Was macht das Känguru bei Erwachsenen derart populär?

Ich denke dieser anarchische Treibstoff. Komikerfiguren, die unbeeindruckt und wagemutig Dinge aussprechen, erfreuen sich schon immer großer Beliebtheit. Und dann sind der verschlafene Held und das aufgeweckte Tier ein ganz klassisches Komiker-Paar. Sie hassen und sie lieben sich, woraus sich wunderbare Dialoge entwickeln. Zudem hilft Humor in politisch zunehmend schwierigeren Zeiten, die Dinge besser zu verdauen – was ja auch am großen Erfolg der „Heute-Show“ abzulesen ist.

Apropos Politik. Ist es nicht ein bisschen kurz gesprungen, die Neonazis und stramme Rechten als dumpfe Vollpfosten und Knallchargen zu reduzieren? Sind da nicht längst smartere Köpfe am populistischen Werk?

Das kann man natürlich kritisieren, aber das ist der Stil der Bücher. Marc-Uwe Kling hat seine eigene Art zu schreiben. Er ist sehr entschieden, wie er die Dinge charakterisiert. Er setzt in seinen Büchern auf Schwarz-Weiß und verzichtet weitgehend auf ein psychologisches Charakterisieren von Figuren. Ich musste mich an seine Sprache erst einmal gewöhnen, aber seine explizite, klare Form macht auch den großen Erfolg seiner Bücher aus. Insofern war es uns beiden wichtig, diesen Comic-Stil im Film zu bewahren.

Wie groß spürt man die Erwartungshaltung bei der Verfilmung eines Kult-Romans?

Ich glaube, bei der Verfilmung einer Kult-Vorlage ist das „Scheitern“ für einen Teil des Publikums einfach unvermeidlich. Je bekannter die literarische Vorlage, umso stärker ist der Reflex der Zuschauer: Das Buch war aber besser. Damit müssen wir natürlich rechnen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass auch die Hardcore-Fans den Film schätzen werden. Kling hat das Drehbuch geschrieben, er war an allen kreativen Prozessen beteiligt, er hat den Film mit seinen Freunden immer wieder getestet, mehr kann man nicht machen.

Was sind die wichtigsten Zutaten für eine gute Komödie?

Ich würde sagen Empathie, Intelligenz und Schamlosigkeit. Ein Känguru, das ungebeten vor die Kamera springt, kann auch nie schaden.

„Alles auf Zucker“ und „Tatort“-Experiment

Dani Levy wird 1957 in Basel geboren und lebt seit 1980 in Berlin. Sein Regiedebüt „Du mich auch“ bekommt 1986 beim Komödienfestival von Vevey den Preis für den Besten Film. Zum großen Publikumserfolg wird 2005 „Alles auf Zucker“, der zudem mit drei Deutschen Filmpreisen prämierte wird. Kontrovers aufgenommen wird danach die Satire „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ mit Helge Schneider in der Titelrolle. Zu seinen Fernseh-Filmen gehören „Der Liebling des Himmels“ mit Mario Adorf sowie zuletzt der Luzerner „Tatort – Die Musik stirbt zuletzt“, der sich in Echtzeit abspielt und ohne Schnitt auskommt.

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Erstellt:
03.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec
zuletzt aktualisiert: 03.03.2020, 06:00 Uhr

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