Kunsthalle Tübingen

Was macht eigentlich Kunst-Legende Götz Adriani?

Er war Gründungsdirektor der Tübinger Kunsthalle, prägte das Haus 35 Jahre lang mit großen Ausstellungen zur Moderne und führte es zu internationalem Ansehen. 2017 verabschiedete sich Götz Adriani auch aus der Stiftung der Kunsthalle – aber nicht aus der Welt der Kunst.

14.03.2023

Von Moritz Siebert

Er hat die Kunstszene Tübingens so nachhaltig geprägt wie kein anderer: Götz Adriani. Bild: Ulrich Metz

Er hat die Kunstszene Tübingens so nachhaltig geprägt wie kein anderer: Götz Adriani. Bild: Ulrich Metz

Ich golfe nicht“, sagt Götz Adriani, angesprochen auf seinen Ruhestand. Für Sport hatte er sowieso nie viel übrig, und seit er sich 2017 von der Tübinger Kunsthalle zurückgezogen hat, war und ist er mit verschiedenen Projekten immer noch gut beschäftigt. „Ich hatte das Privileg, dass ich diesen Beruf ausüben konnte – und jetzt eben immer noch Dinge machen kann, die meiner Leidenschaft entsprechen.“

Über drei Jahrzehnte hat Götz Adriani die Tübinger Kunsthalle geprägt und mit Ausstellungen zu zeitgenössischer Kunst und französischen Großmeistern für Besucherrekorde gesorgt. Im Jahr 2005 schied er als Direktor aus, von 2003 und bis 2017 leitete er die Stiftung der Kunsthalle. Seitdem, erzählt Adriani, seien es drei Projekte, die ihn beschäftigen. Als Gastkurator machte er 2019 für die Staatsgalerie Stuttgart die Ausstellung „Die jungen Jahre der Alten Meister“ über Baselitz, Richter, Polke und Kiefer. Mit diesen vier Künstlern habe Deutschland erstmals internationales Renommee erlangt in der Kunstwelt. Erstmals? Was ist mit den Expressionisten, mit der Romantik? „Nein“, antwortet Adriani: „Das spielte sich alles in unserem kleinen Land ab.“ Jedenfalls kein Vergleich zum internationalen Rang der Literaten oder der Philosophie. „Das fand ich interessant.“

2020 gründete Götz Adriani mit seiner Frau zusammen die Adriani-Stiftung für die Staatsgalerie, in die das Ehepaar Immobilienbesitz, Geldvermögen und Kunstbesitz, um die 250 Werke aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, als Kapital gab. „Wir haben uns sozusagen selbst enteignet“, erklärt Adriani. Die Werke aus der Sammlung darf die Stiftung verkaufen, wobei die Staatsgalerie Vorkaufsrecht hat. Das Museum setzt eigene Mittel ein und erhält dafür Kunst. Das Geld fließt in die Stiftung und kommt am Ende der Staatsgalerie wieder zugute.

Ziel der Stiftung ist es, die Forschung am Museum zu stärken. Die Vermittlung an Museen nehme immer mehr Raum ein, beobachtet Adriani. Und das gehe auf Kosten der Forschung, die im Vergleich immer mehr in den Hintergrund trete. Das sei etwa auch an ausgeschriebenen Stellen zu erkennen. Mit dem Ertrag aus der Stiftung sollen etwa Kataloge gefördert werden. „Da versuchen wir zu helfen.“ Auch bei den großen Ausstellungen in Tübingen habe er immer großen Wert darauf gelegt, dass sie von fundierten Katalogen mit wissenschaftlichem Anspruch begleitet werden. Das Stiftungsprojekt hatte Adriani kurz vor seinem Weggang auch der Tübinger Kunsthalle angeboten. Interesse habe aber keines bestanden. Auch der Staatsgalerie ist das Ehepaar seit langem verbunden. Franziska Adriani war als Fotografin dort tätig, Götz Adriani volontierte nach seinem Studium dort ab 1965.

Ein Tübinger ist Götz Adriani in den Jahrzehnten, in denen er die Kunsthalle leitete, nicht geworden. Er lebt in Stuttgart, kommt an die frühere Wirkungsstätte im Philosophenweg aber noch regelmäßig zurück. Im Verwaltungsgebäude hatte er seinerzeit eine Bibliothek eingerichtet, die er für Recherchen immer noch nutzt. Die Ausstellungen in der Kunsthalle schaue er sich noch an. Und was im Haus passiert? „Das ist nicht mehr mein Ding.“ Aktuell arbeitet Adriani an einem Katalog für eine Ausstellung, die 2025 in der Staatsgalerie zu sehen sein wird: Die Scharf-Collection, eine Privatsammlung, die auf die Sammlung Otto Gerstenberg zurückgeht, wird gezeigt. Der Versicherungsgründer hatte viel Geld in Kunst investiert und Werke von Dürer und Rembrandt über Goya bis Toulouse-Lautrec, Courbet und Degas gekauft. Nachdem die Sammlung im Zweiten Weltkrieg stark dezimiert wurde, bauten die Enkel Walther und Dieter Scharf sie wieder auf. „Die Sammlung hat Grandioses zusammengebracht“, sagt Adriani. Unter anderem die kompletteste Sammlung von Toulouse-Lautrec-Grafiken mit 360 Blättern. Gezeigt werden alle Hauptwerke aus der Sammlung. Für die Arbeit am Katalog kommt Adriani regelmäßig nach Tübingen.

Dass er sich 1971 für die Kunsthalle entschieden hat, das habe er nie bereut, sagt Adriani – auch nicht, dass er dort geblieben ist. Möglichkeiten zum Wechsel, auch an deutlich größere Häuser, gab es viele, Interesse hatten unter anderem das Museum Folkwang in Essen, die Staatsgalerie Stuttgart oder die Frankfurter Museen, insbesondere das Angebot der Staatsgemäldesammlung in München sei verlockend gewesen, erzählt er. Die Vorstellung, bei Sponsoren um Geld betteln und sich intensiv mit Verwaltung beschäftigen zu müssen, das schreckte ihn aber ab. „In Tübingen hatte ich meine Freiheit“, erklärt Adriani: „Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt.“

Zur Person: Götz Adriani

1940 in Stuttgart geboren, studierte Götz Adriani Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte in
Tübingen München und Wien. Am Hessischen Landesmuseum Darmstadt war er unter anderem für die Sammlung Karl Ströher zuständig mit Werken zeitgenössischer Künstler. 1971 wurde Adriani Gründungsdirektor der Kunsthalle Tübingen. Mit seinen Ausstellung von Toulouse-Lautrec, Cézanne, Degas und Renoir bis Picasso erreichte das Haus überregionales und internationales Ansehen. Direktor blieb Adriani bis 2005. Von 2003 bis 2017 war er Vorstand der Stiftung Kunsthalle Tübingen. Am 10. Februar 2012 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Tübingen ernannt. 2020 gründete
ermit seiner Frau zusammen die Adriani-Stiftung.